Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
erfahrene und tüchtige Gastschwester die Gemeinschaft verlassen. Wie sollten sie es nur ohne sie schaffen, eine neue wirtschaftliche Basis für den Konvent zu finden?
Die Fahrt hatte nicht lange gedauert. Emma war wie betäubt gewesen. Gegen neun Uhr abends erreichte sie Heidelberg. Sie betrat ihre Wohnung, die sich fremd anfühlte. Sie nahm eine Thunfischpizza aus dem Tiefkühlfach und schob sie in den Backofen. Dann stellte sie sich unter die Dusche. Mit noch nassen Haaren nahm sie die Pizza aus dem Ofen und setzte sich aufs Sofa. Sie schaltete den Fernseher an und startete vom DVD-Recorder eine Folge ihrer Lieblingsserie Dr. House. Doch schon nach wenigen Happen war ihr der Appetit vergangen.
Emma schob die kalten Reste der Pizza von sich und starrte auf den flimmernden Bildschirm, ohne die Worte aufzunehmen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie heute den Abend und die Nacht überstehen sollte. Sie konnte nicht richtig trauern, weil sie diesen Mann so wenig gekannt hatte. Und doch hatte sie das Gefühl, einen großen Verlust erlitten zu haben.
Emma zog ihr Handy zu sich her und tippte eine SMS an Paul.
Mayday. 22.30 Uhr im Ballroom. Heute muss es sein. E.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Paul war einverstanden. Erleichtert stand Emma auf und ging insBad. Sie brauchte eine halbe Stunde, um sich die Haare zurechtzumachen, zu schminken und sich in eine helle Marlene-Dietrich-Hose mit breitem Schlag zu werfen, darüber ein leichtes Top mit Spaghettiträgern und Strass-Steinen am Ausschnitt. Sie streifte Mokassins über, eigentlich zu kühl für diese Jahreszeit, und griff nach einer warmen Winterjacke, die nicht zum restlichen Outfit passte.
Kurz nach zehn Uhr erreichte sie den Ballroom in einer kleinen Seitengasse der Heidelberger Altstadt. Den Wagen hatte sie in der Tiefgarage abgestellt und war dann über den Kornmarkt geschlendert. Paul kam meistens zu spät, sie hatte also Zeit.
Der Ballroom war eine Tanzbar alten Stils. Tanzfläche, Bar und Bestuhlung sahen aus, als wären sie ohne große Veränderung einem Fünfziger-Jahre-Film entnommen worden. Noch war wenig los, was sich in den nächsten zwei Stunden sicher ändern würde. Emma suchte sich einen Platz in der Nähe der Tanzfläche und schob den Beutel mit ihren Tanzschuhen auf den Stuhl neben sich. Kurze Zeit später kam eine Kellnerin freundlich lächelnd an ihren Tisch. Emma bestellte einen alkoholfreien Mango-Joghurt-Cocktail und eine Schüssel mit gesalzenen Erdnüssen. Sie streifte ihre Mokassins ab und griff nach dem Beutel neben sich. Sie spürte die Vorfreude, als sie ihre Tanzschuhe anzog, hochhackige Pumps mit strassbesetzten Riemchen. Sie musste an Hertl denken und den Kuss, den sie sich gestern Abend gegeben hatten. Dort unter der Laterne hatte sie für einen Moment vergessen, dass sie sich kaum kannten, dass sie nicht wissen konnte, wie sich das Ganze entwickeln würde und ob Markus Hertl wirklich der Mann war, auf den sie seit Jahren wartete.
Emma spürte, wie ihr erneut Tränen in die Augen traten. Da steuerte die Kellnerin auf sie zu und schob ein geschwungenesGlas mit einer hellen, milchigen Flüssigkeit auf den Tisch, daneben eine einfache weiße Porzellanschüssel mit gesalzenen Nüssen. Emma nickte zum Dank und drehte sich unauffällig weg. Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Papiertaschentuch, tupfte sich die Wangen und hoffte, dass ihr Augen-Make-up keine dunklen Streifen in ihr Gesicht zeichnete. Plötzlich spürte sie eine warme Hand auf ihrer Schulter. Sie wandte den Kopf. Paul stand neben ihr und sah sie freundlich an.
»Ach Prinzesschen«, sagte er und setzte sich neben sie. Er griff ihre Hand. Emma legte den Kopf an seine Schulter und machte keinen weiteren Versuch, die Tränen zurückzuhalten.
Einige Minuten später fühlte sie sich entschieden besser. Emma blinzelte Paul dankbar zu und verschwand mit ihrer Handtasche in der winzigen Toilette. Sie schminkte sich ab und verzichtete auf weiteres Make-up. Als sie zu Paul zurückkehrte, hatte er sich ein Bier bestellt.
Emma warf ihre Handtasche neben ihn auf den freien Stuhl und blickte auf seine Füße. Er hatte inzwischen seine dunklen Freizeitschuhe gegen Tanzschuhe mit dünnen Sohlen eingetauscht. Emma fing seinen Blick auf und lächelte. Aus den Lautsprechern erklang »Come Away with Me« von Norah Jones, ein langsamer Walzer. Emma reichte ihm die Hand.
Paul ergriff sie, stand auf und ging Emma voraus auf die Tanzfläche. Noch war sie
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