Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
die Scheibe der Schiebetür. Zwei Augenpaare wandten sich ihm zu und versuchten die spiegelnde Fensterscheibe zu durchdringen. Dann erhob sich die Frau und öffnete.
»Ja?«, fragte sie und ließ ihren Blick über sein Gesicht gleiten.
»Sie sind Journalistin?« Grieser tastete in die Tasche nach seinem Dienstausweis.
Die Frau nickte und betrachtete ohne Regung das Dokument, das er ihr hinhielt.
»Ich habe Sie heute Nachmittag im Innenhof der Klosteranlage gesehen. Ich denke, Ihnen ist klar, dass Sie in die innere Absperrung vorgedrungen sind und damit die laufenden Ermittlungen gestört haben«, sagte Grieser.
Die Frau verzog noch immer keine Miene, wich aber seinem Blick nicht aus.
»Ihre Papiere bitte«, sagte Grieser und runzelte die Stirn.
Die Frau zog ihre Handtasche zu sich her und kramte einen Ausweis hervor, der sie als Emma Prinz auswies. Grieser griff in seine Innentasche und nahm sein Notizbuch heraus, um sich Name und Adresse aufzuschreiben.
»Sollten Sie etwas veröffentlichen, was unsere Ermittlungen behindert, werde ich Sie dafür belangen«, sagte er und gab ihr den Ausweis zurück.
»Das ist Ihr gutes Recht«, erwiderte Emma Prinz gelassen.
Nun stand der Mann auf und trat hinter sie. Er blickte Grieser von oben herab ins Gesicht.
»Was haben Sie denn Emma Prinz konkret vorzuwerfen?«, fragte er grimmig.
»Paul«, wehrte Emma ab.
»Sie hat aus Versehen die innere Absperrung überwunden«, fuhr der Mann unbeirrt fort, »ohne sich dessen bewusst zu sein, und ist von einem der Gäste des Klosters in sein Zimmer eingeladen worden.«
Grieser erstarrte. Er wandte den Kopf und blickte den Mann an, den sie Paul genannt hatte. Diese Stimme hätte er überall erkannt. Grieser versuchte seine Atmung zu kontrollieren. Die beiden sollten nicht merken, dass er sich kaum noch im Griff hatte.
»Sind wir uns nicht vor kurzem begegnet?«, fragte Grieser. Er veränderte den Ton seiner Stimme ein wenig, nun klang er weniger offiziell. Der andere hatte ihn ebenfalls erkannt, das spürte Grieser sofort. Doch seine Miene änderte sich nur wenig. Grieser war sich nicht sicher, wie er den Gesichtsausdruck deuten sollte.
»Würden Sie bitte einen Moment mitkommen?«, fragte Grieser. Paul sah ihn wortlos an. Die Frau schien unschlüssig, was sie davon halten sollte. Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen. Paul nickte ihr zu und erhob sich.
»Kein Problem«, sagte er und ließ offen, an wen seine Worte gerichtet waren. Er stieg aus dem Bus.
»Würden Sie bitte einen Moment mitkommen?«, wiederholte Grieser höflich.
Der Mann zog fragend seine Augenbrauen hoch, was seinemGesicht einen unfreiwillig komischen Ausdruck verlieh. Dann wandte er sich der Journalistin zu.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er leichthin. »Ich bin bald zurück.«
Grieser stapfte los, zurück zur Klosteranlage. Aus den knirschenden Geräuschen hinter sich schloss er, dass Paul ihm folgte. Grieser ließ das Torhaus rechts liegen und strebte Richtung Spazierweg, unterhalb der östlichen Klostermauer. Am liebsten wäre er schneller gegangen, doch er zwang sich, seine Ungeduld zu zügeln. Paul blieb hinter ihm. Kein Wort fiel. Grieser umrundete die Klosteranlage und erreichte seinen Dienstwagen, den er am Morgen neben dem Hotel »Zum Schwanen« abgestellt hatte. Die Lichter blinkten, dann öffnete sich die Verriegelung. Grieser warf einen Blick in die Runde und vergewisserte sich, dass keiner seiner Kollegen in Sichtweite war. Er zog die Fahrertür auf und setzte sich hinters Steuer. Paul stieg auf der Beifahrerseite ein und zog die Tür ins Schloss. Grieser startete den Motor und fuhr los. Nur mit Mühe schaffte er es, das Tempo knapp über der Geschwindigkeitsbegrenzung zu drosseln. Zwischen den Häusern waren kaum noch Menschen zu sehen. Aus vielen Fenstern drang Licht und zerschnitt die rasch hereinfallende Dunkelheit. Grieser ließ den Ortskern hinter sich und steuerte auf der gegenüberliegenden Hangseite eine Aussichtsplattform an. Nur wenige Häuser lagen in Sichtweite. Grieser stellte den Wagen ab und überquerte den verlassenen daliegenden Bolzplatz. Am gegenüberliegenden Ende erreichte er eine Absperrung, die den Grillplatz vom Abgrund trennte. Ein Meer aus Lichtern lag vor ihm, in das der Rhein eine dunkle Schneise schnitt. Der Wind strich über Griesers nass geschwitzten Nacken und ließ ihn frösteln. Paul erreichte ihn und trat neben ihn ans Geländer. Schweigend blickten sie auf das dunkle Wasserhinunter. Winzige
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