Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Journalistin arbeiten.
Trotzdem war sie unzufrieden. Gerade weil sie sich mit dieser Form des Journalismus in guter Gesellschaft befand. Jeden Tag wurden selbst in seriösen Medien wie Tageszeitungen und den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern viele Bilder gezeigt, die weit über nüchterne Berichterstattung hinaus gingen.
Ein Geräusch riss Emma aus ihren Gedanken. Die Schiebetür des alten VW-Busses fiel ins Schloss. Paul setzte sich ihr gegenüber auf die Bank. Emma betrachtete ihn nachdenklich.
»Was wollte der Kommissar von dir?«, fragte sie. Doch im selben Moment wusste sie es. Der Geruch war unverkennbar. Ein bisschen schal und trotzdem prickelnd, wie stehengebliebener Sekt nach einer Premiere.
»Nichts weiter«, sagte Paul und verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln.
»Nur ein bisschen Spaß?«, fragte sie zweifelnd.
»Nur ein bisschen Sex«, erwiderte Paul.
»Woher wusste er das? Kanntest du ihn?«, fragte Emma.
»Wir hatten vor ein paar Wochen Sex im Connexion, im Darkroom. Er hat mich an meiner Stimme erkannt.«
»Was macht er denn in Mannheim? Er arbeitet doch in Mainz«, fragte Emma.
Sie wandte sich wieder ihrem Laptop zu. Der Download war inzwischen beendet. Das Foto war im Redaktionssystem der
Lupe
angekommen.
»Das Connexion ist die größte Schwulendisco Süddeutschlands.« Paul gähnte erneut. »Die Jungs kommen von überall her, um dort zu tanzen.«
»Ich dachte, du bist nicht schwul«, erwiderte Emma unkonzentriert. Die Affäre zwischen ihr und Paul lag schon etliche Jahre zurück. Sie waren einige Male miteinander im Bett gewesen und hatten dann beschlossen, dass ihnenFreundschaft lieber war. Emma musterte das Foto und runzelte unzufrieden die Stirn.
»Bin ich auch nicht«, sagte Paul, »das weißt du doch. Ich mag Männer und Frauen.«
»Weiß das der Kommissar?« Emma sah kurz hoch.
»Wozu?«, erwiderte Paul. Er rieb sich den Nacken. »Wir hatten ein bisschen Spaß miteinander. Das ist alles.«
»Hauptsache, es gefällt«, murmelte Emma zerstreut und scrollte nach unten. Kohler machte es ihr wirklich schwer. Der Pauschalistenvertrag hätte sie das nächste Jahr finanziert.
Emma atmete tief durch, klickte auf den Button und löschte das Foto wieder. Erst dann gab sie den Artikel frei.
»Auf dem Rückweg hat er telefoniert«, sagte Paul.
Emma hob den Kopf. Paul erwiderte ihren Blick, verzog seinen Mund zu einem breiten Lächeln und zuckte mit den Achseln.
»Und?«, fragte sie und richtete sich auf.
»Er hat wohl gedacht, ich krieg das nicht mit«, erzählte Paul weiter. »Er hat wenig gesprochen. Aber ich konnte die Stimme des anderen hören.«
Emma kappte die Verbindung ins Internet und wechselte zu Photoshop, wo das unbearbeitete Foto noch immer zu sehen war.
»Die Tote hatte ein frisches Brandmal in der Leiste«, fuhr Paul fort, »das aussieht wie ein Eselskopf.«
»Hat die Rechtsmedizinerin vorhin auch erwähnt.« Emma betrachtete nachdenklich das Foto der ermordeten Frau. Die ganze Aufregung war nun ganz umsonst gewesen. Obwohl, es hatte ihr zumindest die Bekanntschaft eines interessanten Mannes eingebracht.
»Genau der gleiche Eselskopf«, erzählte Paul weiter, »wurde vor etwa zwanzig Jahren bei einem Mönch gefunden. Auch als Brandmal in seiner Leiste.«
Emmas Herzschlag beschleunigte sich.
»Der Mönch hat damals Selbstmord begangen. Bei der Obduktion fand man die frische Wunde. Genau wie bei der Toten heute in der linken Leiste. Beide Brandmale zeigen die gleichen Spuren. Sie sind mit demselben Werkzeug eingebrannt worden.«
Emma blickte ihn entsetzt an.
»Aber das war noch nicht alles«, sprach Paul weiter. »Die Tote von heute war die Schülerin von diesem Mönch damals. Und bis heute ist unklar, warum er Selbstmord begangen hat.«
Emma senkte den Blick und starrte auf das Foto. Bisher hatte sie nur darauf geachtet, dass Bildausschnitt und Auflösung stimmten. Dass darauf ein toter Mensch zu sehen war, hatte sie weitgehend ausgeblendet. Sie griff nach der Maus und führte den Zeiger auf die Programmleiste.
Paul musterte sie schweigend. Emma klickte auf Zoom. Das Foto vergrößerte sich, bis es den Bildschirm füllte. Der Kopf der Toten schien ihr förmlich auf den Schoß zu fallen. Die Haut war weiß, die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen, und die Gesichtszüge wirkten merkwürdig erschlafft. Die langen braunen Haare links und rechts an ihren Schläfen waren zerzaust, und die Nase stach aus dem Gesicht hervor wie eine
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