Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
kleine Haus rechts neben dem Schulgebäude, mit der grünen Tür.«
Grieser folgte ihrem Blick und nickte. »Ist das Haus nachts abgeschlossen?«
»Unsere Besucher sind unsere Gäste und nicht unsere Gefangenen«, erwiderte Schwester Orlanda.
Grieser notierte sich die Uhrzeiten, die ihm Schwester Orlanda nannte. Kern war gegen 20:00 Uhr am Samstagabend eingetroffen. Er hatte gemeinsam mit Schwester Orlanda und zwei weiteren Schwestern ein Glas Wein getrunken und hatte sich gegen 21 Uhr verabschiedet. Am nächsten Morgen war er nach dem Palmsonntag-Gottesdienst um etwa 10.30 Uhr abgereist.
Grieser fragte, ob sie sicher sei, dass Kern das Gästehaus nachts nicht verlassen habe.
»Wie ich schon sagte«, erwiderte Schwester Orlanda kalt, »es sind unsere Gäste und nicht unsere Gefangenen.«
Grieser machte sich noch einige Notizen und verabschiedete sich dann von der Äbtissin. Einige Minuten irrte er durch die langen Flure des Klosters, bis er zu der Metalltür mit den Glasfenstern zurückfand. Auf dem Weg zum Parkplatz kontrollierte er sein Handy. Sabine Baum hatte versucht, ihn zu erreichen.
Grieser rief sie zurück, und gerade als er sein Motorrad erreichte, nahm Baum das Gespräch entgegen.
»Wir haben den Tatort und auch den Tathergang«, drang es quäkend aus seinem Nokia.
Grieser klemmte das Handy zwischen Kopf und Schulter und öffnete die Seitentasche der Ducati.
»Im Keller des Gästehauses gibt es einen alten Waschkeller, der früher zum Schlachten benutzt wurde. Er ist leer und von oben bis unten gekachelt. Dort hat der Mörder sie mit einem Elektroschocker betäubt, gefesselt und geknebelt. Er hat sie entkleidet, ihr das Brandzeichen verpasst und dann mit einem scharfen Messer schwer verletzt. Danach hat er sie einfach liegenlassen. Im Laufe mehrerer Stunden ist sie verblutet. Anschließend hat der Täter die Leiche und den Raum mit einem Schlauch abgespritzt. Wir haben die Überreste der Blutspuren im ganzen Raum sichtbar machen können, auch im Abfluss.«
»Irgendwelche Spuren vom Täter?«
»Nein, er war sehr gründlich. Auch an der Leiche war nichts zu finden. Durch den Elektroschocker war sie ja sofort außer Gefecht gesetzt. Er hat auf jeden Fall Handschuhe getragen und vermutlich auch einen Overall. Das Wasser hat den Rest erledigt.«
»Und wie hat er das Eisen heiß gemacht?«, fragte Grieser.»Strom«, erklärte Baum. »Wie ein Tauchsieder. Einstecken, einen kurzen Moment warten, und schon glüht das Eisen. Das kriegt jeder Hobbybastler hin.«
»Gibt es Hinweise darauf, wer Zugang zu diesem Raum hatte?«
»Er ist offen und steht seit dem Umbau des Gästehauses vor einem halben Jahr leer. Jeder aus dem Gästehaus und aus dem Kloster hatte Zugang.«
»Was ist mit dem Messer?«, fragte Grieser.
»Bisher Fehlanzeige«, erwiderte seine Kollegin. »Laut Rechtsmedizin ein durchschnittliches Küchenmesser oder etwas Ähnliches.«
»Fessel und Knebel?«
»Bisher nicht aufzufinden. Wir haben nur die Spuren an der Leiche.«
Sie wechselten noch ein paar Sätze, dann beendete Grieser das Gespräch. Grübelnd starrte er auf einen verkrüppelten kleinen Baum, der sich unter die Klostermauer duckte. Er überlegte, was er als Nächstes tun sollte. In Bingerbrück konnte er sich einen eigenen Eindruck vom Tatort verschaffen. Dort lief gerade unter Baums Anleitung eine gut eingespielte Maschinerie ab. Fotos, Spurensicherung und der obligatorische dreidimensionale Scan. Eigentlich brauchten sie ihn nicht.
Die alte Geschichte? Grieser war sich nicht sicher, ob es wirklich einen Zusammenhang gab. Aber es war zweifelsfrei ein Brandeisen mit einem ähnlichen Motiv verwendet worden.
Grieser startete den Motor. Er legte den Gang ein und lenkte das Motorrad auf die Straße. Am Fuß des Berghangs mündete die schmale Straße in die L534, die ihn in wenigen Minuten nach Heidelberg brachte. Ein Lastkahn steuerte auf die alte Brücke zu, die unterhalb des Heidelberger Schlosses die Altstadt mit der nördlichen Neckarseite verband.Wimpel flatterten über dem Steuerhaus, hinter dem ein roter Opel Corsa parkte.
Wenige Minuten später erreichte Grieser die Heidelberger Polizeidirektion. Er versorgte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einer Bäckerei mit einem frischen Cappuccino und einem Mehrkornbrötchen mit Schinken. Dann überquerte er die Straße und betrat die Direktion. Der Kollege von der Pforte führte ihn direkt ins Archiv. Dort wartete schon eine dünne Mappe auf ihn.
Ein müde
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