Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Dienstausweis.
»Mit Schwester Orlanda könnten Sie sprechen«, beeilte sich der junge Mann zu sagen. »Sie ist die Äbtissin des Klosters und damit auch die oberste Chefin des Internats.«
Grieser bedankte sich. Er ging am Parkplatz vorbei auf die Straße, wo sich zwischen Klostergelände und Straße ein schmaler Fußweg schlängelte. Dann betrat er die Klosteranlage durch das Steintor, das er im Vorüberfahren gesehen hatte. Links neben dem Eingang befand sich ein Häuschen im Schatten der Klostermauer, rechts davon ein langgestrecktes Gebäude, das sich weit nach hinten zog. Grieser schritt an der Längsseite entlang, bis er eine Tür fand. Dahinter lag ein karg wirkender Raum mit einer kleinen Kammer in der linken Ecke, die als Pforte diente. Die Ordensschwester hinter dem Schreibtisch hatte ein wettergegerbtes Gesicht, das nur aus Falten zu bestehen schien. Grieser bat darum, die Äbtissin des Klosters sprechen zu können.
»In welcher Angelegenheit?« Die Ordensfrau blinzelte kurzsichtig.
Grieser erklärte, er habe im Zusammenhang mit dem Mord im Kloster Rupertsberg ein paar Fragen. Die Pfortenschwester griff nach dem Telefonhörer und sprach kurz darauf mit erstaunlich kräftiger Stimme in den Hörer.
»Mutter Orlanda hat in etwa einer Viertelstunde Zeit für Sie«, sagte sie dann vage in Griesers Richtung.
»Ich sehe mich draußen noch ein wenig um«, erwiderte er mit lauter Stimme. »Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn Mutter Orlanda so weit ist?«
Die Pfortenschwester nickte. Als Grieser sich abwandte, hörte er sie hinter seinem Rücken murmeln.
»Was schreit der denn so! Warum glauben die Leute nur immer, wer alt ist, hört auch schlecht.«
Grieser verkniff sich ein Lachen. Dann trat er hinaus in die Sonne. Inzwischen war es gegen halb eins, und vom Hang strich ein angenehm nach Wald riechender Wind über den Hof. Er schlenderte weiter und bemerkte erst jetzt, dass es über eine Treppe hinter dem Schulgebäude auch einen Zugang vom Schulgelände gab.
Er sah sich noch ein wenig um und kehrte dann zurück zum Haupthaus, wo ihm die Pfortenschwester bereits entgegenkam.
»Mutter Orlanda bittet Sie herein.« Sie atmete hörbar, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zur Pforte. Grieser folgte ihr. Vor dem Schreibtisch in der kleinen Kammer wartete eine junge Frau mit blasser Haut und blonden Haaren, die in einem straff geflochtenen Zopf weit über ihren Rücken fielen. Sie trug eine modische schwarze Hose und darüber eine schwarze Bluse mit sportlichem Schnitt.
»Kommen Sie bitte mit«, sagte sie und nickte ihm freundlich zu. Sie ging voran durch eine schwere Metalltür mit kleinen bunten Glasfenstern. Grieser folgte ihr durch mehrere kahle Flure, bis sie vor einer weiß gestrichenen Holztür stehen blieben. Sie klopfte und horchte kurz, dann öffnete sie die Tür und ließ Grieser an sich vorbei den Raum betreten.
Mutter Orlanda war eine kräftige Frau in den Sechzigern. Als Grieser eintrat, erhob sie sich hinter ihrem Schreibtisch und begrüßte ihn mit einem kraftvollen Händedruck. Sie bat ihn in einer Sitzgruppe hinter der Tür Platz zu nehmen.Dann setzte sie sich ihm gegenüber in einen schweren Ledersessel.
»Ich habe soeben mit Schwester Lioba vom Kloster Rupertsberg telefoniert«, sagte sie mit undurchdringlicher Miene. »Ich kenne sie noch aus ihrer Schulzeit, sie war eine Schülerin von mir. Schwester Lioba hat mir ein paar Dinge erzählt, die noch nicht in der Zeitung standen. Allerdings konnte sie mir nicht sagen, was wir hier im Kloster Altdorf mit diesem Mordfall zu tun haben könnten.«
Sie legte ihre Unterarme auf die halbhohen Armlehnen. Ihre Hände waren kräftig, die Fingernägel kurz geschnitten.
»Ich kann Ihnen leider keine Einzelheiten sagen«, erklärte Grieser. »Aber es gibt Hinweise, dass der Mord in Bingerbrück mit einer alten Geschichte zusammenhängt, die hier in ihrem Haus passiert ist.«
Schwester Orlanda zog die rechte Augenbraue hoch.
»Ich meine den Selbstmord von Pater Benedikt«, sagte Grieser.
Schwester Orlanda schwieg. Sie schien darauf zu warten, dass Grieser weitersprach.
»Sie waren schon damals hier im Haus?«, fragte er.
»Ich gehörte zu der Zeit bereits dem Konvent des Klosters Altdorf an«, erwiderte sie nach kurzem Zögern. »Ich war im Internat Lehrerin für Mathematik. Das bin ich auch heute noch.«
»Seit wann sind Sie Äbtissin des Klosters?«
»Seit 1998 – seit 11 Jahren.«
»Haben Sie den Selbstmord von Pater Benedikt
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