Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Waschkeller in die Abteikirche gelangte?«
Schwester Lioba runzelte die Stirn. »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
Die Oberkommissarin erhob sich unvermittelt, verabschiedete sich und ging.
Schwester Lioba sah nachdenklich zur Tür. Ob die Polizistin gemerkt hatte, dass sie sich in ihrer Haut unwohl fühlte? Frauen entwickelten ja mitunter ein besseres Gespür. Sie seufzte und stand auf, um auf ihren Beobachtungsposten am Fenster zurückzukehren. Der Anblick der Papiere auf ihrem Schreibtisch war ihr heute unerträglich. Sie erinnerten sie daran, dass ihr Kloster am Rande des Ruins stand. Sie war so stolz gewesen, als sie zur Äbtissin gewählt wordenwar. Sie hatte sich der Sünde des Hochmuts bezichtigt und fünf Rosenkränze zur Abbitte gebetet. Trotzdem freute sie sich über diesen Erfolg. Und nun stellte sich heraus, dass sie nur deshalb auf den Posten der ehrwürdigen Mutter Oberin berufen worden war, um den Konvent zu Grabe zu tragen.
Durch das Fenster drang der Klingelton eines Handys. Schwester Lioba sah hinunter auf den Klosterhof, wo immer noch Polizeifahrzeuge parkten. Unmittelbar neben einem Wagen blieb Kriminaloberkommissarin Baum stehen und kramte in ihrer Tasche. Schwester Lioba beobachtete, wie die Kommissarin telefonierte und lebhaft gestikulierte. Sie konnte nur hoffen, dass der Mörder Miriams schnell gefunden wurde und damit bewiesen war, dass der Mord nichts mit ihr zu tun hatte. Darum hatte sie heute Nacht gebetet. Windisch zwang sie, sich zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart zu entscheiden. Und solange sie die Verantwortung für 36 Mitschwestern trug, sah sie keinen anderen Ausweg, als zu schweigen.
11. Kapitel
Jedoch werden sie, wenn sie die Vereinigung mit Männern vermeiden, in ihrem Wesen unleidlich und unangenehm. Wenn sie aber mit Männern verkehrt haben, weil sie sich von der Verbindung mit ihnen nicht zurückhalten wollten, dann werden sie in ihrer Leidenschaft unenthaltsam und maßlos wie die Männer.
Emma hatte noch einige Recherchen zu Hildegard von Bingen angestellt und war dabei auf Hertls Namen gestoßen. Er arbeitete an der Kölner Universität als Dozent für Lateinische Philologie des Mittelalters im deutschen Sprachraum und war offensichtlich ein Experte für die Ordensfrau aus dem 12. Jahrhundert.
Ihr fiel ein, was Hertl gestern gesagt hatte. Ob eine schöne Aussicht wirklich die Liebe zu einem Gott wecken konnte? Oder diese womöglich ersetzen? Emma sah von ihrem Computer auf und ließ ihren Blick über die Hänge des Rheintals gleiten. Vereinzelte Sonnenstrahlen lagen über den Berghängen.
Dann suchte sie die Nummer heraus, die Hertl ihr beim Abschied gegeben hatte. Das Freizeichen ertönte zweimal, dann meldete er sich mit Namen.
»Haben Sie Lust, sich mit mir zu treffen?«, fragte Emma. Hertl antwortete nicht.
»Ich fand es gestern sehr spannend, was Sie von Hildegard von Bingen erzählt haben«, sprach Emma weiter.
Ein leises Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. »In Ordnung«, sagte er dann. Seine Stimme klang amüsiert. »In einer halben Stunde auf dem Parkplatz.«
Emma sagte zu und beendete das Gespräch. Nachdenklich beobachtete sie, wie ein Lastkahn die Rheininsel hinter sich ließ. Sie mochte Hertl. Und sie war nicht sicher, ob es nicht vielleicht mehr werden könnte. Sie hatte gerade eine Affäre hinter sich, die am Ende ziemlich unbefriedigend verlaufen war.
Emma beschloss, zumindest eine andere Hose anzuziehen. Es gab keinen Grund, Hertl mit einer fleckigen Jeans gegenüberzutreten.
Eine halbe Stunde später erschien er am Fuß der Klostermauer. Emma winkte. Hertl überquerte den Parkplatz, der sich inzwischen geleert hatte.
»Rustikal haben Sie es hier«, sagte er und warf einen Blick in ihren Bus.
Emma zuckte mit den Achseln.
»Haben Sie Lust, ein paar Schritte mit mir zu gehen?« Sie warf einen Blick auf den träge dahinziehenden Rhein. »Wir können ja unten am Rheinufer ein Glas Wein trinken.«
Hertl nickte. Sie überquerten die Wiese und steuerten auf einen Spazierweg zu, der unterhalb des Parkplatzes bis an den Rhein hinunterführte. Schweigend erreichten sie den Schotterweg. Hertl sah sich um.
»Schön hier, finden Sie nicht«, sagte er leichthin.
Emma nickte.
»Sie sind Spezialist für Lateinische Philologie?«, fragte sie unvermittelt.
»Ich bin an der Uni«, erwiderte Hertl. Er stopfte beide Hände in die ausgebeulten Taschen seines dunklen Wollmantels. »Ich gebe Seminare zur
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