Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
gerade den letzten Schluck Kaffee getrunken, als sich ihr Handy meldete. Die Nummer auf dem Display kannte sie nicht.
»Prinz?«, meldete sie sich.
»Guten Tag, Frau Prinz. Hier spricht Lydia Reinertz. Sie waren gestern bei mir und haben sich nach Pater Benedikt erkundigt.«
Emma erinnerte sich an die blonde Frau mit den Gartenhandschuhen.
»Ist Ihnen denn noch was eingefallen?«, fragte Emma und lehnte sich über den Tisch, um Stift und Papier zu sich herzuziehen.
»Sie hatten ja nur nach Pater Benedikt gefragt, und an dem ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Aber später ist mir eingefallen, dass in der Woche einige meiner Mitschüler irgendwie merkwürdig waren. Sie waren anders als sonst, schweigsamer, sie sind allen aus dem Weg gegangen, wollten mit niemandem reden. Ich hatte damals eigentlich das Gefühl, irgendwas stimmt ganz und gar nicht. Aber durch den Selbstmord von Pater Benedikt habe ich nicht mehr weiter darüber nachgedacht.«
»Wer genau hat sich denn merkwürdig verhalten?«, fragte Emma.
»Miriam Schürmann, Thomas Kern, Josef Windisch, Kerstin Kürschner und Markus Hertl«, erwiderte Lydia Reinertz. »Die waren damals eine Clique und hingen immer zusammen herum. Aber später …« Sie zögerte einen Moment. »Also später hörte das auf. Nach dem Selbstmord von Pater Benedikt war irgendwie alles anders.«
Emma musste einen Seufzer unterdrücken. Für einen Moment hatte sie gehofft, endlich neue Informationen in die Hand zu bekommen. Doch Lydia Reinertz hatte nur die Namen derer aufgezählt, die auch jetzt beteiligt zu sein schienen. Sie wusste längst, dass Kerstin Kürschner der bürgerliche Name von Schwester Lioba war. Emma bedankte sich für die Informationen, beendete das Gespräch und legte das Handy zur Seite. Dann setzte sie sich wieder hinter das Steuer. In der Auffahrt beschleunigte sie und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.
Nur wenige Kilometer später hielt sich ein Audi Quattro,der sie überholt hatte, auffällig lange auf ihrer Höhe. Als Emma zu dem Fahrer hinübersah, hupte er und wedelte heftig mit den Händen. Emma blickte in den Außenspiegel und beobachtete eine hellgraue Dampfwolke hinter sich. Rasch warf sie einen Blick auf die Anzeigen. Sie stöhnte, als sie sah, dass die Temperaturanzeige im roten Bereich stand.
Paul packte das Aufnahmegerät in seinen Wagen und kontrollierte die Batterien. Der Ressortleiter seines Senders hatte heute Morgen kurz nach neun Uhr angerufen und ihn nach Feudenheim geschickt, wo in einer Schreinerei Feuer ausgebrochen war.
Paul gab in sein Navigationssystem die Adresse ein, die ihm Winterbauer durchgegeben hatte. Dann startete er den Wagen und steuerte ihn auf die Augustaanlage in der Mannheimer Innenstadt. Sein Navigationsgerät kündigte ihm eine Fahrt von 12 Minuten Länge an.
Paul sah auf die Uhr. 9.45 Uhr. Gestern Abend war Grieser nicht ans Telefon gegangen, vielleicht hatte er ja heute Morgen seine Meinung geändert. Paul stellte sein Handy in die Freisprechanlage und drückte die Wahlwiederholungstaste. Nach zweimaligem Klingeln meldete sich Grieser.
»Guten Morgen, Peter«, sagte Paul munterer, als er sich fühlte.
»Paul …«, sagte Grieser. Seine Stimme klang gequält.
»Ich rufe aus beruflichen Gründen an«, sprach Paul rasch weiter. »Ich habe gestern mit Emma noch einmal über ihre Recherchen gesprochen. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Mönch damals an Palmsonntag etwas Verstörendes erlebt haben musste, an Karfreitag erhielt er das Brandmal, und am Ostersonntag brachte er sich um.«
»Und?«, fragte Grieser.
»Ich glaube, die zeitliche Übereinstimmung ist kein Zufall. Miriam Schürmann ist an Palmsonntag umgebracht worden. Morgen ist Karfreitag, ich habe mich gefragt, ob nicht ein zweites Mal etwas geschehen wird.«
»Ein Serienmörder?«, fragte Grieser zweifelnd.
»Ich weiß nicht, ob Serienmord, keine Ahnung«, erwiderte Paul. »Aber der zeitliche Zusammenhang ist doch merkwürdig.«
»Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Verstärkt für heute Nacht die Wachen rund um das Kloster«, sagte Paul. »Nur für alle Fälle.«
»Ich bekomme keine Bewilligung für diesen Personalaufwand nur auf eine vage Ahnung hin«, erwiderte Grieser abweisend.
»Willst du etwa riskieren, dass noch was passiert?«, fragte Paul. Er hatte den Ortsausgang Mannheims erreicht und beschleunigte. Auf der A656 floss der Verkehr nur zäh.
»Hast du irgendwas in der Hand?«, fragte Grieser.
Paul dachte
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