Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
war die Kirche leer. Die Schwestern waren auf ihren Gottesdienst konzentriert und nahmen keinen Kontakt zu den Menschen um sich herum auf. Die wenigen Gottesdienstbesucher schienen Touristen zu sein, die etwas verloren wirkten und allmählich wieder gingen.
Emma wusste nicht, was sie sich erhofft hatte. Doch sie empfand die Atmosphäre des Gottesdienstes als wenig einladend und fühlte sich besser, als sie die Kirche wieder verlassen hatte. Sie kehrte in ihren Bus zurück und briet sich auf dem Gaskocher ein Putenschnitzel. Dazu aß sie ein paar Nudeln und einen Gurkensalat. Dann spülte sie das Geschirr und räumte es wieder weg.
Emma lüftete den Bus und beschloss, bis Mainz weiterzufahren und dort zu übernachten. Sie startete den Motor und kehrte auf die Autobahn zurück. Eine halbe Stunde später hatte sie Mainz fast erreicht. Rechts vor ihr tauchte die hell erleuchtete Raststätte Heidenfahrt Nord auf. Emma setzte den Blinker und zog den Bus auf die Ausfahrt. Sie fuhr bis zur Tankstelle und stellte den Bus auf einem der Parkplätze ab. Im Toilettenraum reinigte sie sich flüchtig das Gesicht und putzte die Zähne. Autofahrerinnen kamen und gingen, so mancher neugierige Blick streifte sie. Emma ging auf die Toilette und kehrte zum Bus zurück. Inzwischen war es kurz vor elf. Die Raststätte leerte sich. Emma deponierte Waschzeug und Handtuch auf dem Beifahrersitz und bereitete hinten alles zum Schlafen vor. Sie zog die Vorhänge zu und stellte den Wecker.
Dann kletterte sie hinter das Lenkrad und steuerte den Bus zurück auf die Autobahn. Sie verließ die A60 bei der östlichen Ausfahrt Hechtsheims, das im Licht des fast vollen Mondes ruhig dalag. Emma fuhr einige Minuten kreuz und quer durch ein Wohngebiet, bis sie in einer Seitenstraße denidealen Schlafplatz gefunden hatte. Einfamilienhäuser lagen friedlich zwischen sauberen Beeten. Hier und dort brannte Licht, bläuliche Fernsehschatten huschten über die Zimmerdecken.
Emma stellte den Bus zwischen parkenden Autos ab. Sie löschte die Scheinwerfer, zog den Zündschlüssel und verschloss von innen die Türen. Durch einen Spalt im Fenster der Beifahrertür drang kühle Nachtluft. Emma kletterte nach hinten, ohne Licht zu machen. Sie zog sich aus, dann legte sie sich schlafen. Sie lauschte in die Nacht. Eine Katze maunzte protestierend, sonst blieb alles ruhig. Emma gähnte und zog die Decke bis unters Kinn. Sie schlief sofort ein.
GRÜNDONNERSTAG
21. Kapitel
Die Männer, von denen wir oben gesprochen haben, sind klug und werden von den anderen gefürchtet. Sie haben Neigung zu den Frauen und pflegen andere Männer zu meiden und zu fliehen, weil sie die Frauen mehr lieben wie die Männer.
In dieser Nacht hatte Schwester Lioba schlecht geschlafen. Zweimal war sie aufgestanden, um sich einen Tee zu holen. Sie hatte im Gebet Erholung gesucht von den quälenden Gedanken, aber auch das gelang ihr kaum. Am Morgen fühlte sie sich angestrengt und müde.
Beim Morgengebet kurz nach 5.30 Uhr sah Schwester Heidrun besorgt zu ihr herüber. Das Frühstück nahmen sie schweigend ein, anschließend hörten sie gemeinsam eine Lesung und versenkten sich ins Gebet. Dann rief die Glocke der Klosterkirche zum Hochamt, das gegen 8.30 Uhr endete.
Danach zog sich Schwester Lioba in ihr Büro zurück. Sie heftete die Rechnungen der vergangenen Tage ab und brachte den Ordner hinüber in die Bibliothek, wo Schwester Erika und Silvia Neureuther gemeinsam über den Büchern saßen.
Schwester Lioba nickte ihnen zerstreut zu und ging nachdenklichin ihr Büro. Dort wartete bereits Hauptkommissar Grieser auf sie.
»Sie haben noch Fragen an mich«, stellte Schwester Lioba fest und nahm ergeben hinter ihrem Schreibtisch Platz. Der Kommissar sah aus, als hätte er ebenfalls eine schlaflose Nacht hinter sich. Er sank in den Besucherstuhl ihr gegenüber und tastete nach seinem Notizblock. Sein Blick glitt über einige Notizen. Dann räusperte er sich.
»Worum ging es in Ihrem Streit mit Miriam Schürmann?«, fragte er unvermittelt.
Schwester Lioba hob überrascht die Augenbrauen. Grieser betrachtete sie schweigend. Sein Blick ließ nicht erkennen, was er dachte. Die Äbtissin überlegte, wie viel sie erzählen sollte. Dann atmete sie tief durch und legte die gefalteten Hände in ihren Schoß.
»Ich hatte sie um Unterstützung für das Kloster gebeten. Miriam hat vor zwanzig Jahren von Pater Benedikt eine wertvolle Handschrift erhalten. Ich hatte sie gebeten, dem Kloster
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