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Die Glut

Die Glut

Titel: Die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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vor sich selbst, und deshalb wolle sie alles aufschreiben, wovon man nicht gut sprechen könne. Wie gesagt, ich habe später verstanden, dass jemand, der sich so in die Ehrlichkeit flüchtet, vor etwas Angst hat, davor, dass sein Leben sich mit etwas füllt, das man nicht mehr teilen kann, ein echtes Geheimnis, unbeschreiblich, unaussprechlich. Krisztina will mir alles geben, ihren Körper und ihre Seele, ihre Gefühle und geheimen Gedanken, alle Regungen ihrer Nerven - wir sind auf der Hochzeitsreise, Krisztina ist verliebt, bedenke doch, woher sie kommt und was ihr das bedeutet, was ich ihr biete, meinen Namen, dieses Schloss, das Palais in Paris, die große Welt, alles, wovon sie ein paar Monate zuvor nicht einmal geträumt hätte, in der kleinstädtischen Umgebung, in dem bescheidenen Heim, allein mit einem stillen, kranken alten Mann, der nur noch für sein Instrument, die Notenhefte und seine Erinnerungen lebt ... Und auf einmal gibt ihr das Leben alles, und mit vollen Händen, die Ehe, die ein Jahr dauernde Hochzeitsreise, Paris, London, Rom, dann den Osten, Monate in den Oasen, das Meer. Natürlich meint Krisztina, sie sei verliebt. Später stellt sich heraus, dass sie es nicht ist, nicht einmal zu jener Zeit. Sie ist bloß dankbar.«
    Er flicht die Finger ineinander, stützt die Arme auf die Knie und beugt sich vor: »Sie ist dankbar, sehr dankbar, auf ihre Art, auf die Art einer jungen Frau, die mit ihrem Gatten, einem reichen, vornehmen jungen Mann, auf Hochzeitsreise geht.« Er presst die verflochtenen Finger stärker ineinander und betrachtet aufmerksam und versunken das Muster des Teppichs. »Sie will unbedingt dankbar sein, und deshalb erfindet sie auch das Tagebuch, dieses sonderbare Geschenk. Denn es ist vom ersten Augenblick an voller überraschender Geständnisse. Krisztina macht mir nicht den Hof, und ihre Geständnisse sind mitunter beunruhigend ehrlich. Sie beschreibt mich so, wie sie mich sieht, mit ein paar Worten, aber sehr treffend. Sie beschreibt, was ihr an mir nicht gefällt, die Art, wie ich mich den Menschen auf der ganzen Welt mit übergroßer Sicherheit nähere - sie spürt in mir keine Bescheidenheit, wie sie für ihre gläubige Seele die größte Tugend ist. Nein, bescheiden bin ich in diesen Jahren wirklich nicht. Mein ist die Welt, ich habe die Frau gefunden, die mit allen ihren Worten, allen Botschaften ihres Körpers und ihrer Seele ein vollkommenes Echo in mir auslöst, ich bin reich, ich habe einen Rang, die Zukunft öffnet sich vor mir wie eine strahlende Bahn, ich bin dreißig Jahre alt, ich liebe das Leben, den Dienst, meine Karriere. Jetzt, im Rückblick, schwindelt es mir vor dieser schmatzenden Selbstzufriedenheit, diesem Glücksgefühl. Und wie jeder, den die Götter grundlos verwöhnen, empfinde ich in der Tiefe meines Glücks eine Art Beklemmung. Es ist alles zu schön, zu bruchlos, zu vollkommen. Vor so ungebrochenem Glück fürchtet man sich immer. Ich möchte dem Schicksal ein Opfer bringen, es wäre mir ganz recht, wenn in einem Hafen die Post aus der Heimat von einer finanziellen oder sonstigen Unannehmlichkeit berichtete, wenn ich zum Beispiel erführe, dass zu Hause das Schloss abgebrannt ist oder dass mich ein finanzieller Verlust getroffen, dass mein Bankier schlechte Nachrichten für mich hat, oder ähnliches ... Man möchte ja den Göttern gern etwas vom Glück zurückzahlen. Denn bekanntlich sind die Götter eifersüchtig, und wenn sie den Sterblichen ein Jahr des Glücks schenken, verbuchen sie diese Schuld sogleich und fordern sie am Ende des Lebens mit Wucherzinsen ein. Aber um mich herum ist alles vollkommen in Ordnung. Krisztina schreibt kurze Sätze in ihr Tagebuch, die wie im Traum gesprochen scheinen. Manchmal schreibt sie nur eine Zeile, nur ein Wort. Zum Beispiel: »Du bist hoffnungslos, denn du bist eitel.« Dann wochenlang nichts. Oder sie schreibt, sie habe in Algier einen Mann gesehen, der sei ihr in einer Gasse gefolgt und habe sie angesprochen, und sie habe das Gefühl gehabt, sie könnte mit ihm gehen. Krisztina ist eine schillernde, unruhige Seele, denke ich. Aber ich bin glücklich, und auch diese seltsamen, etwas beunruhigenden Ausbrüche von Ehrlichkeit vermögen mein Glück nicht zu trüben. Ich bedenke nicht, dass jemand, der dem anderen so krampfhaft alles sagen will, vielleicht gerade deshalb so ehrlich ist, um von etwas Wichtigem und Wesentlichem nicht sprechen zu müssen. An so etwas denke ich auf meiner Hochzeitsreise nicht, und

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