Die Goblins 01 - Die Goblins
mit einem flüchtigen Blick und spielte nachdenklich mit einer Strähne seines Bartes. »Falls es dein Bruder war, der das getan hat, heißt das.«
»Natürlich war er es«, brauste Barius auf. »Er fürchtet meinen Erfolg und versucht, das Zepter zu stehlen, das rechtmäßig mir gehört.«
Jig sagte dazu nichts. Darnak hatte bisher seine Vermutungen für sich behalten, und Jig wollte keine Aufmerksamkeit auf sich lenken, wenn er es vermeiden konnte. Wenigstens hatte Riana den Weitblick besessen, den Finger zu beseitigen. Sie hatte ihn tief in den Wald geschleudert und anschließend ihr Messer am weißen Hemd des Prinzen abgewischt.
Es fand die Auffassung dieser Abenteurer eigenartig, die glaubten, alles, was sie fänden, gehöre ›rechtmäßig‹ ihnen. Warum rückten sie nicht mit der Wahrheit heraus und gaben zu, dass sie die Monster bestahlen? Daran war doch nichts auszusetzen; bei Goblins und Hobgoblins war das an der Tagesordnung. Klar, meistens stahlen die Hobgoblins von den Goblins, aber das gehörte eben zum Leben. Warum also dieser Unsinn, dass das Zepter in Wirklichkeit Barius gehörte? Glaubte er, Straum müsse aus seinem Hort geeilt kommen und ihm das Zepter auf dem Präsentierteller überreichen? Hätten die Goblins ihre dürftigen Schätze abgeben sollen, weil sie ›rechtmäßig‹ Barius gehörten?
Kein Wunder, dass der Prinz so verbittert und wütend war. All diese Schätze waren sein rechtmäßiges Eigentum, und keiner der gegenwärtigen Besitzer war besonnen genug, das zu erkennen.
»Wir sollten längst weg sein!«, blaffte Barius. »Wir haben keine Zeit zu vertrödeln. Wenn wir meinen verräterischen Bruder fangen wollen, müssen wir unverzüglich aufbrechen.«
Barius hatte bereits vier Schritte gemacht, als Darnak seine Stimme erhob und sagte: »Bevor du zu weit läufst, möchtest du dich vielleicht erkundigen, welchen Weg dein Bruder eingeschlagen hat.«
Jig streckte den Zeigefinger aus. Barius straffte die Schultern, drehte sich um und ging in die von Jig gezeigte Richtung, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen.
Darnak packte die Laterne mit der einen Hand, schulterte seinen Rucksack mit der anderen und folgte ihm. »Na, dann kommt! Er wird ein ziemliches Tempo vorlegen, bis seine Wut einigermaßen verraucht ist.«
»Bist du sicher, dass wir Ryslind im Dunkeln nachlaufen sollten?«, fragte Jig, während er neben dem Zwerg hertrottete. »Wenn wir warten, bis die Sonne wiederkommt … sie kommt doch wieder, oder?«
»Aye«, bekräftigte Darnak. »Und ich könnte selbst ganz gut ein ausgedehntes, nichtmagisches Nickerchen vertragen. Aber unser Hitzkopf dort vorn wird keine Ruhe geben, bis er seinen Bruder eingeholt hat, und wenn es sein muss, wird er sich die eigenen Augenlider ausreißen, um sich am Einschlafen zu hindern.«
»Obwohl er weiß, dass Ryslind nicht ganz richtig im Kopf ist?«, fragte Jig und schnitt eine Grimasse. Das war ein bisschen unverblümter herausgekommen, als er es beabsichtigt hatte. Immerhin war Ryslind trotz allem ein Prinz, und Darnak hörte solche abfälligen Äußerungen möglicherweise nicht allzu gerne.
Doch der Zwerg lachte nur stillvergnügt in sich hinein. »Verrückte in den Adelslinien sind so normal wie Rattenscheiße in der Kornkammer. Barius ist der Geisteszustand seines Bruders völlig schnuppe. Es ist ihm egal, warum Ryslind ihn an der Nase herumgeführt hat; er weiß nur, dass er jetzt wie der Dumme dasteht. Wenn das noch einmal passiert, wird Barius nicht ruhen, bis einer von den beiden tot ist.« In ernsterem Ton fügte er hinzu: »Ich rechne damit, dass sich Barius im Totenhemd wiederfinden wird. Ein guter Kämpfer, aber zu impulsiv. Und Ryslinds Macht sollte man nicht naserümpfend abtun.«
Er tunkte seinen Federkiel ins Tintenfass. »Genug geredet. Wie viele Schritte seit dem gespaltenen Baum dort drüben?«
Das Tempo, das der Prinz vorlegte, war dem Kartenzeichnen nicht besonders zuträglich, und Darnak bemühte sich tapfer, im Dahintrotten ihr Vorwärtskommen auf Pergament zu bannen. Seine Finger waren bis zu den Knöcheln mit Tinte verschmiert; einige Tropfen hatten sich verselbstständigt und rannen wie winzige Flüsse über die Karte. Doch selbst als die Feder sich durch das Pergament bohrte, gab er nicht auf. »Immer den Weg hinein auf der Karte festhalten«, meinte er. »Denn es ist weitaus schwieriger, das mit dem Weg hinaus zu tun.«
Jig machte sich nicht die Mühe zu erwähnen, wie nutzlos die Karte bisher gewesen war. Er
Weitere Kostenlose Bücher