Die Goblins 01 - Die Goblins
Darnaks beschlagenen Stiefeln auf dem Fels – Jig kannte sie alle. Er wusste genau, wo Barius war, indem er einfach den nasalen Atemzügen des Prinzen lauschte, wohingegen Darnak bei jedem dritten oder vierten Ausatmen zum Grunzen neigte. Als sie sich der Lichtquelle näherten, verbesserte sich auch seine Sicht.
Ein breites Fallgatter versperrte das Ende des Tunnels. Schwarze Balken, dick wie sein Handgelenk, erstreckten sich von der Decke bis zu Löchern im Boden. Quer über die Balken waren flache Eisenbänder geschlagen, die sie in ihrer Position hielten. Die Balken liefen in gemein aussehenden Spitzen aus, die wie überdimensionale Speerköpfe mehrere Zoll weit in den Fels ragten. Jig konnte sich lebhaft vorstellen, von diesen Spitzen durchbohrt zu werden, während das Fallgatter herabkrachte. Er zuckte zusammen.
»Seht da!«, wisperte Barius. »Der Ruheplatz der Bestie!«
Jig ging näher heran, um durch die Balken zu spähen. Hinter dem Fallgatter öffnete sich der Tunnel in eine große Höhle, und jetzt konnte er die Quelle des flüsternden Geräusches ausmachen, das er zuvor gehört hatte. Ein fast spiegelglatter See füllte die entfernte Hälfte der Höhle; das Wasser war gerade so viel in Bewegung, dass kleine Wellen ans Ufer plätscherten. Der See war klein, eigentlich mehr ein Teich, insbesondere verglichen mit dem See der Echsenfische. Die Wellen waren entsprechend sanfter, weshalb Jig das Geräusch auch nicht gleich erkannt hatte.
Das Ufer selbst bestand aus schwarzem Sand, der fast bis zum Tunnel reichte. Der Sand glitzerte wie der Nachthimmel, beleuchtet von den blauen Flammen rings um den Rand der Höhle, die dem Feuer ähnelten, das die Einfassung des Blumenmosaiks vor ihr bildete. Als Jig seine Aufmerksamkeit auf die Höhlenwände richtete, merkte er, wie sein Mund vor Ehrfurcht aufklappte.
In jeden Quadratzoll der Wand waren Regale getrieben, und jedes dieser Regale quoll über von … Sachen. Es fiel Jig ausgesprochen schwer, sie als Schätze zu bezeichnen. Sicher, manche Regale funkelten nur so vor Gold- und Silbermünzen unterschiedlichster Formen und Größen, die zu perfekten Zylindern gestapelt waren. Aber Straums Schatz bestand nicht nur aus Geld.
Waffen spielten eine herausragende Rolle in der Ausstattung der Höhle. Schwerter hingen zwischen sämtlichen Regalen, manche länger als Jig, andere dünn wie ein Grashalm. Jig sah juwelenbesetzte Schwerter, schlichte Schwerter, Schwerter mit glänzenden Stahlklingen und Schwerter aus gehämmerter Bronze. Er entdeckte sogar eins, das aussah, als sei es aus Glas gemacht. Kein Wunder, wenn der Besitzer von dem Schwert nicht lange überlebt hat.
Ein anderes Regal stand ganz im Zeichen der Fußbekleidung. Meistens waren es Paare, aber hier und da sah Jig auch einen einsamen Schuh oder Stiefel. Zum ersten Mal konnte er Barius’ Gier ein bisschen nachvollziehen. Wenn das Fallgatter nicht gewesen wäre, hätte er schon längst an den Regalen gestanden und sich jedes Paar geschnappt, dessen er habhaft werden konnte. Nie wieder müsste er gequetschte Zehen, blasenübersäte Fußsohlen oder abgerissene Nägel ertragen. Sein gegenwärtiges Paar gefunden zu haben war schon ein Glücksfall gewesen, aber was hier vor seinen Augen lag, waren fürwahr Schätze. Er fragte sich, ob er genug Zeit haben würde, sich wenigstens ein Paar auszusuchen, das ihm besser passte. Vielleicht die blauen da, mit dem pelzigen weißen Besatz oben und den roten Flammen, die auf den Seiten aufgemalt waren. Das war die Art von dramatischem Stil, für die jeder Goblin morden würde.
Da lagen Helme und Bogen, Bücher und Edelsteine; ein langes Regal war sogar etwas gewidmet, was Jig für Vogelfedern hielt, von Darnak aber schnell als Federkiele identifiziert wurde.
»Was für ein Haufen Gerümpel!«, murmelte der Zwerg. »Abgesehen vom Gold natürlich. Und an diesem Pfauenfederkiel könnte ich auch Geschmack finden. Mit solch einem Schreibgerät könnte man feine Karten zeichnen. Möcht wissen, was für eine Art von Spitze er wohl haben mag?«
»Findet das Zepter!«, unterbrach Barius sein Sinnieren. »Sobald das Zepter sicher in unserem Besitz ist, könnt ihr euch nach Belieben mit Beute beladen. Doch zuerst, findet das Zepter!«
Riana räusperte sich. »Wie sieht es denn aus?«
Niemand antwortete.
Jig musste gegen einen plötzlichen Kicheranfall ankämpfen. Er sah zu Riana, der die Ungläubigkeit im Gesicht geschrieben stand.
»Ihr wisst es nicht?«, fragte
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