Die Godin
komplimentiert worden. Beim Hinausgehen aber entdeckte er das Schild eines zweiten Auskunftsbüros. Man ließ ihn ein und bat ihn in ein nobel eingerichtetes Büro.
»Sie werden von uns auch keine Annonce finden«, klärte ihn ein junger Mann mit blasiertem Lächeln auf, »unser Büro besteht erst seit kurzem. Außerdem haben wir es nicht nötig, Kunden von der Straße anzuwerben. Wir sind aber immer an Mitarbeitern interessiert. Da ist natürlich nicht unbedeutend, welche Referenzen sie vorzuweisen haben.«
»Hochinteressant«, sagte der Agent, nachdem Kajetan davon erzählt hatte, daß er Polizeibeamter gewesen sei. »Das ist natürlich eine ausgezeichnete Referenz. Aber warum, wenn ich fragen darf, haben Sie den Dienst quittiert?«
»Eh…« Kajetan räusperte sich, »Differenzen, ich…«
»Welcher Art?«
Hatte sich die herablassende Höflichkeit des jungen Mannes geändert? Sein Interesse schien ehrlich zu sein. »Nun?«
»Eine lange Geschichte«, wand sich Kajetan.
»Ich kenne keine, die man nicht in fünf Sätzen erzählen könnte. Also? Welcherart waren die Differenzen?«
»Ich… ich habe den Dienst nicht quittiert, ich bin…«
»Entlassen worden.«
Kajetan nickte erleichtert.
»Jawohl.«
»Unehrenhaft?«
Kajetan wiederholte bestätigend. Erneut fühlte er sich unwohl. Der Blick des jungen Mannes ruhte kalt auf ihm.
»Nun ja«, der Agent faltete die Hände, »da wäre dann von Bedeutung, weshalb, nicht wahr? Sie können offen sprechen. Ich bin zwar nicht der Inhaber, aber ich werde unserem Vorgesetzten Bericht erstatten. - Ja?!«
Es hatte geklopft. Ein junger Mann stand im Türrahmen. »Herr Leutnant…«
»Was ist?!« Gereizt wandte sich Kajetans Gesprächspartner um. »Was ist? Sie sehen doch«, bellte er, »daß ich im Gespräch bin. Ich komme sofort!«
Der Besucher schloß die Tür hinter sich.
Überrascht hatte Kajetan die Szene verfolgt. Eine Auskunftei, in der sich die Angestellten mit militärischen Rängen ansprachen? Er sah sich um. Das Büro war neu eingerichtet, das Mobiliar wirkte teuer. An den Wänden hingen Portraits soldatisch dreinblickender Männer, aber auch die Grafik eines eigenartig verzweigten Baumes. Kajetan hatte begriffen, als ihn die Stimme des jungen Mannes aus seinen Gedanken riß.
»Sie kennen die Darstellung?«
»Kommt mir bekannt vor.«
Der junge Mann lächelte wissend. »Es ist die Weltesche. - Doch zurück zu Ihnen. Wieso hat man Sie entlassen? Sie sehen nicht wie ein Verbrecher aus. Also nehme ich an, daß Sie aus politischen Gründen gehen mußten. In unseren Tagen kann dies, muß dies aber keine Schande sein. Viele ehrenhafte Beamte wurden in den letzten Monaten entlassen, weil sie nichts anderes taten, als sich für ihr Vaterland…«
Kajetan ließ ihn nicht ausreden, stand auf und schloß seinen Mantel.
»Ich weiß«, sagte er nüchtern, »weil sie sich beim Putschversuch im vergangenen Jahr zu frühzeitig auf die Seite der Hitlerischen gestellt haben.«
Das Lächeln des jungen Agenten gefror. »Habe ich das gesagt?«
»Natürlich nicht. Aber ich täusche mich vermutlich nicht, wenn ich vermute, daß das hier keine Auskunftei ist.«
»Sondern was? Etwa eines der geheimnisvollen Tarnbüros der verbotenen Nationalsozialistischen Partei? Sie sollten weniger in der von der Linken verseuchten Presse lesen. Machen Sie sich also nicht lächerlich.«
»Eben. Das werde ich auch nicht tun, Herr Leutnant«, sagte Kajetan und verließ grußlos das Büro.
Nachdem seine Enttäuschung verraucht war, meldete sich der Hunger wieder. Er kramte vergeblich in seiner Tasche.
An der Tür des Klosters beim südlichen Friedhof verwies man ihn darauf, daß die Mittagsspeisung längst zu Ende sei und er morgen wiederkommen könne. Wo käme man hin, wenn man Ausnahmen machen würde.
Kajetans Magen krampfte sich. Er lief mit schnellen Schritten zu seiner Kammer und wühlte in abgelegten Kleidungsstücken nach vergessenen Münzen. Nichts. Plötzlich hatte er eine Idee. Er zog seinen Koffer unter dem Bett hervor, umband ihn mit einer Kordel und verließ das Haus.
Bald hatte er die Isarbrücke erreicht. Er überquerte sie, stieg einige Meter den Gasteigberg hinan und blieb vor einer kleinen, sich geduckt unter die oberen Geschosse des alten Hauses drängenden Gastwirtschaft stehen. Er zögerte einen Augenblick und sah nachdenklich in den bewölkten Himmel. Dann betrat er entschlossen die übelriechende, von Rauch dunkel gebeizte Gaststätte und setzte sich an einen
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