Die Godin
pressant getan. Aber Sie waren gestern nachmittag ja schon aushäusig.« Er hielt einen Umschlag in seiner Hand und reichte ihn Kajetan, der ihn zögernd annahm.
»Was ist denn das für eine Firma?«
Kajetan überhörte die Frage. »Gestern nachmittag war ich noch nicht aushäusig, Herr Brettschneider«, sagte er verärgert.
Der Pensionswirt zuckte die Schultern. »Hab halt nicht drangedacht«, meinte er gleichgültig. »Ich bin ja nicht euer Postbot, nedwahr.«
Noch auf der Treppe riß Kajetan den Umschlag auf. Fleischhauer befahl ihm, sich unverzüglich, nach Möglichkeit noch am gleichen Tag, bei ihm zu melden.
Endlich! Kajetan war erleichtert. Zwar würde das Geld, das ihm Fritz Urban zugesteckt hatte, noch einige Zeit reichen, doch danach würde er wieder in der gleichen Situation wie zuvor sein.
Und mit Urban wollte er nichts mehr zu tun haben. Auch nicht mit den Mädchen, die er um sich hatte!
Er ging zur Kommode, nahm die Kanne, in der sich etwas Wasser befand, goß es sich auf die Hand und rieb sein Gesicht damit ab. Mit schmerzenden Muskeln richtete er sich auf und sah in den Spiegel. Außer einer kleinen Abschürfung hatte er keine Verletzung im Gesicht. Nur sein Kragen war eingerissen. Er öffnete die Schublade und entnahm ihr ein anderes Hemd.
>Das letzte<, dachte er amüsiert.
Er mußte plötzlich an Emil Teobalt denken. Wie mochte es ihm inzwischen ergangen sein? Kajetan beschloß, ihn gleich nach seinem Treffen mit Fleischhauer zu besuchen.
Der alte Detektiv, der im Stockwerk über seiner Agentur wohnte, war schlecht gelaunt. Er wirkte übernächtigt und knöpfte seine Strickjacke zu.
»Na endlich! Wenn ich nach einem ruf, hat der eigentlich schon da zu sein, bevor ich fertig bin mit dem Rufen. Kommens mit.« Er holte einen Schlüssel aus einem Kasten hinter der Wohnungstür und wies nach unten.
»Also«, sagte er, nachdem er an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, »es ist nichts, wo Sie den Helden spielen können. Trotzdem brauchts ein bisserl Gespür. Habens das? - Ja?« Kajetan hatte genickt. »Wollen wirs hoffen.«
Er klappte den Deckel einer dünnen Mappe zurück und zog einen Brief hervor. »Die Geschieht ist schnell erklärt. Der hoffnungsvolle Sproß einer, sagen wir es mal untertrieben, reicheren Familie - Advokat und in Grundstücksgeschäften tätig der Vater, mit dem Schikanieren des Hauspersonals beschäftigt die Mutter - ist in München, um derselbe Halunke wie sein alter Herr zu werden. Das scheint aber leider Gottes nicht ganz so hinzuhauen, wie sich der Senior das vorstellt: Der Bub rasselt von einer verhauten Prüfung in die andere. Jetzt ist natürlich naheliegend, daß er halt einfach zu deppert ist - solls ja geben, auch wenn man genug Geld hat. Oder daß er einfach was anderes werden will, vielleicht, sagen wir mal, daß er als Botaniker nach Afrika gehen möchte oder sonstwas. Der Vater aber ist der festen Überzeugung, daß das nur damit zusammenhängen kann, daß der Junior wohl einen argen Hang zu den Weibern hat. Gegen das Hörnerabstoßen, sagt er, hätt er durchaus nichts, aber er hat sich zutragen lassen, daß sein Knabe seit einiger Zeit ein Verhältnis hat - leider aber nicht zu einer, mit der der Alte angeben könnt, sondern ausgerechnet zu einer Nahderin in der Wörthstraß.«
»Wo die Lieb hinfällt.«
Fleischhauer sah auf. Ein Schmunzeln spielte über seine Lippen.
»Macht ihn sogar wieder sympathisch, gell? Sympathischer jedenfalls als den Vater, unter uns gesagt. Aber jetzt kommts. Er hat den Filius zu sich zitiert und ihm mit dem Entzug der monatlichen Unterstützung und sogar - wenn er sich unterstehen tat, sie zu heiraten - mit der Enterbung gedroht.«
»Auweh.«
»Tja, wers Geld hat, kann anschaffen. So ist es halt. Was denkens, wies weitergeht? Was tut der Bub? Ich möchte wissen, ob Sie eine Menschenkenntnis haben - was tut er? Ist er ihr treu oder läßt er es bleiben?«
»Erst müßt ich ihn sehen. Und sie auch.«
»Er windet sich raus, der Herr Kajetan!«
»Wollens mich jetzt als Pfarrer oder als Agent?«
»Habens recht. Ich machs also kurz: Der charaktervolle Jungakademiker hat hoch und heilig versprochen, daß er die unstandesgemäße Liaison beenden und das Mädl nicht mehr treffen wird! Und damit komm ich zu dem, was Sie zu tun haben. Der Herr Vater traut ihm nicht und hat mich beauftragt, ihn eine Zeitlang zu überwachen. Und ich beauftrag Sie, weil ich grad was anderes zum tun hab. Drei Mark am Tag, der zehn
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