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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Überschriften der Zeitung. Der Wirtschaft des Reiches gehe es seit dem Ende der Inflation endlich wieder besser. Die Zahl der Arbeitslosen nähme jedoch nicht ab, und nach Meinung der Politiker sei dies auf die Bestimmungen des Versailler Vertrages zurückzuführen. Die Fabrikantenvereinigung böte an, neue Stellen zu schaffen, wenn die Arbeiterverbände auf Lohnerhöhung verzichteten und der Einschränkung des im Revolutionsjahr geschaffenen Betriebsrätegesetzes zustimmten…
    »Hamms das gelesen, Herr Nachbar?«
    Ein kleiner, magerer Mann in einem zu weit geschnittenen Anzug, der bereits vor einiger Zeit an Kajetans Tisch Platz genommen hatte, beugte sich zu ihm. Kajetan sah ihn verwirrt an und nickte abwesend. Der Alte ließ sich nicht unterbrechen, brabbelte weiter und war bei einer neuen Schlagzeile angelangt. Er stieß Kajetan an.
    »Und da: >Urteil im Attentatsprozeß. Der Angeklagte U. freigesprochen. Dem Täter, so die Richter in der Urteilsverkündung, wurde zugute gehalten, daß sich der getötete Politiker durch aufrührerische Reden die Tat selbst zuzubilligen habe, da er dadurch den Völkszorn in unverantwortlicher Weise aufstachelte und.. .<«, er murmelte unverständlich weiter und schloß mit einem überzeugten: »Da hat er auch recht.«
    Hinter seinem Rücken drehte sich ein anderer Gast um, ein graubärtiger älterer Mann in einem für die Jahreszeit zu dicken, leicht abgetragenen Rock. Er warf über seine Brille einen mitleidigen Blick auf den Hageren.
    »Stimmt, Herr Nachbar. Das hat was«, seufzte er. »Das ist die Logik, die man in einem Land voller Dichter und Denker erwarten darf.«
    »Gell? Sagens auch!«
    »Natürlich.« Die Stimme des Brillenträgers, sie hatte einen leichten böhmischen Akzent, klang gütig. »Aber wenns jetzt bittschön etwas leiser lesen würden.«
    Der Hagere ließ sich nicht stören. »>Mädchenhändler verhaftet! Der ungarische Staatsbürger Peter S. wurde festgenommen, als er eine hohe Summe für.. .<«
    Der Bärtige wandte sich kopfschüttelnd um und versuchte, in seiner eigenen Zeitung zu lesen.
    Kajetan hörte nicht zu. Er verstand nicht, was in ihm vorging. Seine Kiefer mahlten.
    Alles war Lüge. Mia war eine Hure. Er hatte seiner Witterung nicht vertraut.
    »>… verkaufte die Mädchen, die sich ihm im guten Glauben, eine Stelle als Hauswirtschafterin antreten zu können, anvertrauten, an Münchner Zuhälter, welche.. .<«
    Er würde Mia nie mehr wiedersehen wollen. Auch Urban nicht. Hatte womöglich er den Angreifer im Hauseingang geschickt? Es war ihm egal. Er fühlte sich betrogen und haßte Mia für den Widerstreit, der in ihm tobte.
    »>… sie gefügig machten und der geheimen Prostitution vornehmlich hinter dem Ostbahnhofsgelände zuführten.. .<«
    Kajetan mußte die Tasse absetzen. Plötzlich schauderte er. Sehnsucht überschwemmte ihn.
    »>Häftling im Gefängnis Stadelheim erhängte sich. Der Häftling Karl D. wurde gestern frühmorgens tot aufgefunden. Er hatte sich.. .<«
    »Gehens, Herr Mayerhofer, lassens doch die Gast in Ruh«, mahnte die Bedienung, die an den Tisch gekommen war. »Darfs noch was sein?« Sie streifte Kajetan mit einem kurzen Blick und räumte den Tisch ab. »Geniert er Sie?« Sie sah ihn fragend an. »Ob er Sie geniert?«
    Kajetan schrak aus seine Gedanken. »Ich hab… habs gar nicht gehört«, stotterte er.
    »Trotzdem«, raunzte sie und warf einen ärgerlichen Blick auf den Mageren. »Ich leids nicht. Und aus.«
    Der vollbärtige Mann wandte sich erleichtert an die Bedienung. »Besten Dank, Fräulein! Es war wirklich beinahe eine Belästi…«
    Sie unterbrach ihn ungehalten. »Sie geben auch eine Ruh. Grad einer wie Sie.«
    Der Mann verstand nicht.
    »So? Sie verstehen mich schon, Herr Frankel.«
    »Ich zahle«, sagte Kajetan heiser und deutete auf seine Tasse. Sie wurde sofort wieder freundlich. »Sehr wohl, der Herr. - Oh«, sagte sie stirnrunzelnd, als sie auf den Geldschein sah, den er auf den Tisch gelegt hatte, »haben Sie es nicht kleiner?«
     
     
    »Wie schaun denn Sie aus?« fragte Brettschneider argwöhnisch, als Kajetan zur Treppe ging. »Sinds unters Auto gekommen?«
    »Unter eins mit zwei Haxen«, antwortete Kajetan. Der Inhaber hob verstehend die Augenbrauen.
    Kajetan wollte an ihm vorbeigehen. »Herr Kajetan, bevor ich es vergeß. Schauen Sie«, er griff in die Schublade unter seinem Tisch, »eine Nachricht ist wieder vorbeigebracht worden. Von einer Firma Fleischhauer. Der sie gebracht hat, hat recht

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