Die Godin
haben?«
Unsicher wanderten die Blicke des Jungen über Kajetans Gesicht. »Einer… ist es gewesen. Er ist mit ihr hinaufgegangen. Hab gedacht, du seist es gewesen.«
»Ist er dort geblieben?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Er ist gleich wieder fort. Aber dann hab ich auf einmal das Fräu’n Mia so… so grausig schreien hören.«
Kajetan packte seine Schultern und schüttelte ihn. Der Junge erschrak.
»Du mußt es mir glauben!« sagte er eindringlich. »Ich bin es nicht gewesen. Aber ich muß wissen, was für ein Saukerl sie besucht hat!«
Der Junge gab seinen Widerstand auf und wischte sich mit geballter Hand die Tränen aus den Augen.
»Ich hab bloß gehört, wie ein Auto gekommen ist, sie ausgestiegen sind…«, er schniefte und zog wieder den Rotz hoch, »… und zu ihr hinaufgangen sind. Ein Mann ist es gewesen. Ich hab durchs Schlüsselloch gesehen. Ein großer. Einen Hut hat er aufgehabt. Es war zu finster auf der Stiege, drum hab ich sein Gesicht nicht sehen können…«
»Aber er ist nicht lange geblieben?«
Beppi schüttelte den Kopf. Wieder traten Tränen aus den Augen.
»Was für ein Auto es gewesen ist - weißt du das?«
»Nein… ein großes Auto.«
»Und was für eine Marke?«
»Es ist doch schon finster gewesen… Er hat sie vergiftet …«, schluchzte Beppi auf. Kajetan legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn bewegt an.
»Hast sie gern mögen, das Fräu’n Mia, gell?«
Der Junge errötete heftig und nickte stumm. Wieder brannten Kajetans Augen.
Aus dem Jungen war nichts mehr herauszubekommen, außer, daß auch er bestätigte, daß Mia von ihrem Ausflug ganz verändert zurückgekehrt war. Sie hätte ihn gar nicht angesehen, und es hätte ihm weh getan, weil er vorgehabt hatte, ihr ein Gedicht zu schenken, das er gefunden und in schöner Schrift abgeschrieben hatte.
Der alte Detektiv wies Kajetan mit ausdruckslosem Gesicht auf den Stuhl. Er schien an etwas anderes zu denken und wirkte übernächtigt. »Sie haben also auf dem Bahnhof keine diesbezügliche Feststellung machen können«, wiederholte er fast uninteressiert, »aber erkannt haben Sie ihn doch wenigstens?«
»Da bin ich sicher. Auch die Adresse stimmt. Ich bin ihm gefolgt.«
»Soso. Und das Mädl, wo wohnt das?« Er sah ihn prüfend an.
»Wenns mir einen Rat geben, wie ich das rausfinden soll, wenn er sich noch nicht mit ihr getroffen hat?«
»Tuns nicht schnäbeln!« Fleischhauer hob warnend den Zeigefinger. »Das könnens Ihnen noch nicht leisten. Erzählens mir lieber, was er den ganzen Tag tut.«
Kajetan zog einen Block aus seiner Tasche und blätterte ihn auf. Der Student, las er vor, würde verhältnismäßig spät aufstehen, etwa gegen neun Uhr. Er habe das Haus in den vergangenen Tagen meist kurz darauf verlassen, um in einem Cafe in der Leopoldstraße sein Frühstück zu nehmen und Zeitung zu lesen. Derzeit, schob Kajetan erklärend ein, seien ja keine Vorlesungen. Damit sei er gegen elf Uhr in der Regel fertig. Die Zeche sei ordentlich, gelegentlich trinke von Seeberg auch ein Glas Wein. Danach folge, zumindest sei das an drei Tagen, wo es das Wetter erlaubt hätte, so gewesen, ein längerer Spaziergang, zumeist im Hofgarten. Anschließend Besuch im Cafe Heck dortselbst, bei Überfüllung im Cafe Annast. - Nein, kein Kontakt zu einer weiblichen Person. - An einem der Tage hätte er das Haus der Norika-Verbindung besucht und das Gebäude bis zum frühen Abend nicht mehr verlassen.
»So.«
Kajetan fühlte, wie eine leichte Röte in seine Wangen stieg. »Die Abende ebenfalls negativ: Ein Theaterbesuch - Lustspielhaus -, der bis halb elf Uhr gedauert hat. Anschließend mit Freunden Besuch der Gaststätte Leopold. Allein nach Hause gegen Mitternacht. Weiterhin: Ein Kinobesuch in Begleitung eines gleichaltrigen Mannes, offensichtlich ein Freund oder Mitstudent, und danach Besuch der genannten Gaststätte, dieses Mal jedoch bis kurz vor Lokalschluß. Kein auffallendes oder längere Zeit beanspruchendes Zusammentreffen mit einer weiblichen Person.«
Kajetan schob die Kladde wieder ein.
»Auch keine umgekehrte Kontaktaufnahme? Die jungen Dinger sind heut nicht mehr so, daß sie lang warten wollen.«
»Die hätte höchstens brieflich erfolgen können. Das kann ich natürlich nicht sagen. Aber es hätte sich in einer Reaktion seinerseits ausdrücken müssen. Ein Postkasten ist gleich in der Nähe seiner Wohnung. Aber ich habe ihn nie einen Brief einwerfen sehen.«
Der Detektiv nickte
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