Die Göring-Verschwörung
Einverständnis der Reichskanzlei eingeholt, sich von ihnen beim morgigen Mittagessen begleiten zu lassen.
Magda gehörte gemeinsam mit ihrem Mann zu den regelmäßigen Gästen an Hitlers Tafel. Der Reichskanzler hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit einem guten Dutzend seiner Angestellten und Mitarbeiter sowie einigen geladenen Gästen den Tisch zu teilen. Es blieb Clarson unerklärlich, wie unverrückbar sie an die Anziehungskraft Adolf Hitlers glaubte, der sie selbst offensichtlich völlig erlegen war.
Es war sein Vorschlag gewesen, die ungewöhnliche Einladung anzunehmen. Er hatte Gefallen an der Idee gefunden, auf diese Weise noch einmal den Hochmut des Tyrannen in seinem Palast zu erleben, in dem stillen Bewusstsein, dass dessen jähes Ende unmittelbar bevorstand. Es würde eine Art Abschiedsessen mit besonderem Reiz werden, so kurz vor ihrem Rückflug in konspirativer Mission für den designierten Nachfolger. Göring genoss keineswegs Clarsons Sympathien, doch war er allemal die bessere Alternative, verglichen mit dem fanatischen Amtsinhaber. Er konnte es kaum abwarten, vor Churchill zu treten und ihm die außerordentliche Nachricht zu übermitteln.
Ariane stand in einem neu erstandenen Abendkleid aus dunkelblauem Seidensatin und Spitze mit zusammengekniffenem Mund neben Clarson. Ihre anfängliche Hochstimmung war inzwischen ins Gegenteil umgeschlagen.
»Goebbels mag sehr wohl eines der Hauptziele der Putschisten sein«, raunte sie ihm zu und fuhr sich dabei besorgt durch die Haare. »Das bedeutet, dass auch Magda in Gefahr ist.«
Clarson ließ den Blick über ihre Umgebung schweifen. Eng beieinanderstehende, flüsternde Paare waren nichts Ungewöhnliches. Die beträchtliche Geräuschkulisse zwang beinahe dazu, seinem Zuhörer direkt ins Ohr zu sprechen.
»Ich vermute, es wird ein ziemlich unblutiger Umsturz werden«, antwortete er im Versuch, ihr etwas von der Sorge um die Schwester zu nehmen.
»Dieses Haus liegt mitten im Regierungsbezirk«, setzte Ariane nach. »Was ist, wenn es zu Schießereien oder Geiselnahmen kommt?«
»Warum sollte jemand auch nur die geringste Absicht haben, gegen die Ehefrauen der Führung vorzugehen?«
»Vielleicht wird sie von den Putschisten einfach mit erschossen«, sagte Ariane in einem Ton, als sähe sie es bereits vor sich. Sie nippte an ihrem Likörglas, um anschließend mit Bestimmtheit hinzufügen: »Wir müssen einen Plan schmieden, wie wir Magda mit in den Flieger nach England nehmen können.«
Clarson verschluckte sich um ein Haar an seinem Wein. Er blickte seiner Frau in die Augen und erkannte, dass es ihr völlig Ernst war. Wenn Ariane sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, an dem ihr Herz hing, war es eine Herkulesaufgabe, mit vernünftigen Argumenten zu ihr durchdringen zu wollen. Doch nichts in der Welt würde ihn dazu bewegen können, Magda in die Putschpläne gegen den von ihr geliebten Hitler einzuweihen.
»Lass uns später darüber reden, an einem geeigneteren Ort«, erkaufte er sich eine Galgenfrist.
Er gab einem vorbeigehenden Kellner ein Zeichen, der daraufhin sein Tablett von der Schulter nahm und ihm die Köstlichkeit der Stunde präsentierte. Norwegische Lachsstückchen waren verziert worden mit verschiedenen Sorten Kaviar, dessen Import durch die angespannten Beziehungen des Regimes zu Sowjetrussland offenkundig nicht beeinträchtigt wurde.
Ein wohlgenährter, kahlköpfiger Direktor der Universum Film AG, den Magda ihm zu Beginn des Abends vorgestellt hatte und der Ariane einen zweideutigen Blick zugeworfen hatte, gesellte sich zu ihnen. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, mit dem ausländischen Gast die politische Weltlage zu diskutieren.
»Ich glaube nicht, dass ihr uns angreifen werdet«, gab er seiner Zuversicht über einen anhaltenden Frieden mit dem Königreich Ausdruck. »Ihr habt doch sogar Franco anerkannt, obwohl der Bürgerkrieg noch gar nicht zu Ende ist.«
»Die deutsche Politik gegenüber der Tschechoslowakei trägt nicht eben zur Entspannung der Lage bei«, gab Clarson distanziert zurück.
»Warum regt man sich in London so sehr über dieses kleine Land auf?«, erwiderte sein Gegenüber. »Wenn die Slowaken unabhängig sein wollen, warum lässt man sie dann nicht?«
»Großbritannien sollte sich aus mitteleuropäischen Angelegenheiten raushalten«, mischte sich ein Clarson unbekannter Herr mit stark riechendem Eau de Cologne ein. »Die tschechischen Länder haben von jeher zum deutschen Kulturraum gehört. Haben Sie
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