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Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Müller Hale
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zum Beispiel gewusst, dass in Prag die älteste deutsche Universität steht?«
    Bevor Clarson etwas erwidern konnte, trat ein Mann in Livree an ihn heran. »Verzeihung, Herr Clarson, wir haben einen Anruf für Sie. Sie können das Gespräch im Foyer annehmen, ich führe Sie gerne hin.«
    Er folgte dem Hausangestellten, erleichtert, dass ihm die Fortsetzung der Unterhaltung erspart blieb.
    Den Kopf an den Hörer gepresst und das andere Ohr mit der Hand abgedeckt, versuchte er inmitten weinseliger Filmleute Binnewies’ Worten zu folgen. »Wir müssen Sie sofort sprechen.« Die Stimme des Majors klang angestrengt und besorgt.
    »Was ist passiert?«
    »Das möchte ich Ihnen lieber persönlich sagen. Können Sie bitte gleich zu Hermanns Villa hinter dem Leipziger Platz kommen?«
    »Natürlich«, antwortete Clarson nach kurzem Zögern.
    »Es ist weniger als zehn Minuten Fußweg von Ihnen. Gehen Sie einfach hinunter zum Potsdamer Platz und von dort nach links in die Leipziger Straße. Beeilen Sie sich bitte!«
    »Ich bin auf dem Weg«, sagte Clarson und legte auf. Er war froh, einem Fest voller Leute, mit denen er nichts gemein hatte, den Rücken kehren zu können.
    Er flüsterte Ariane die Neuigkeit zu, herzte Magda zum Abschied, verwies auf seine Schmerzen im Knie als Ausrede für den vorzeitigen Aufbruch und bahnte sich einen Weg durch die Festgesellschaft zur Garderobe. Während er auf seinen Mantel wartete, tippte ihn eine der vielen jungen Schauspielerinnen mit einem halbvollen Sektglas an.
    »Sie gehören zur Familie von Dr. Goebbels?«
    »Ich habe die Halbschwester seiner Frau geheiratet. Ja, ich denke, das macht mich zu einem Teil seiner Verwandtschaft, in einer gewissen Weise.«
    »Sie klingen nicht gerade begeistert darüber.«
    »Ich hoffte, den Minister heute Abend anzutreffen, aber, wie es aussieht, habe ich da   – wie wir alle   – Pech gehabt.«
    »Dabei sind alle froh, dass er verhindert ist«, gluckste die Schauspielerin, verzog ihr Gesicht und rollte mit den Augen.
    Clarson schmunzelte und wandte sich ab, um Hut und Mantel entgegenzunehmen. Sein Gegenüber erschrak und klammerte sich an seinen Arm. »Sie werden doch nichts sagen?«, flehte sie. »Ich habe zu viel getrunken und weiß nicht, was ich rede.«
    »Seien Sie unbesorgt. Ich habe gar nicht verstanden, was Sie sagten«, erwiderte er, ging zum Ausgang und ließ den festlichen Trubel hinter sich.

24
    Clarson fand das nächtliche Berlin mitten im März in eine Schneedecke gehüllt. Er legte seinen Schal um den Hals, sorgfältig und akkurat mit dem Knoten unter dem Kinn, streifte die beigen Wollhandschuhe über und klappte den Kragen hoch. Es war bereits nach Mitternacht und, vom gelegentlichen Geräusch in der Ferne fahrender Autos abgesehen, geradezu gespenstisch still. Der Kontrast zu Goebbels’ Vorpremierenfeier hätte nicht größer sein können. Es fühlte sich an wie die Ruhe vor der Entscheidungsschlacht. Die Welt stand vor einem neuen Krieg, doch Deutschland, die große Kulturnation, hatte die Chance, das Nazijoch abzuschütteln und Europa mochte die drohende Katastrophe erspart bleiben.
    Die Hermann-Göring-Straße führte vom Brandenburger Tor in Richtung Süden zum Potsdamer Platz, vorbei an einer Reihe von Gebäuden an ihrer Ostseite, darunter die amerikanische Botschaft, die Goebbels ’ sche Villa und die Westflügel der Neuen Reichskanzlei. Auf der Westseite der Straße nahm der Tiergartenpark, ihr Revier für private Spaziergänge, seinen Ausgang.
    Seine Schritte pressten laut knirschend Abdrücke in den Schnee. Nach einer Weile bemerkte er, wie sich unter dieses Geräusch ein weiteres, entfernteres Knirschen mischte.
    Clarson hielt inne. Die Schritte mochten von Binnewies’ Leuten stammen oder anderweitig harmlos sein. Das fremde Geräusch verstummte wie ein Echo. Er ging ein paar Schritte weiter und das Knirschen hinter ihm kehrte zurück. Es war beinahe Neumond und nahezu vollkommen dunkel.
    Die Straßenbeleuchtung von Berlin erlosch um Punkt zweiundzwanzig Uhr. Das furiose Aufrüstungsprogramm des Regimes verschlang mehr Rohstoffe und Devisen als die Volkswirtschaft freizustellen vermochte und zwang zu solcherlei Sparmaßnahmen. Selbst hier im Zentrum brannte nur jede zweite Laterne, die nicht mehr als einen kleinen Fleck um den eigenen Pfosten in gelbes Licht hüllte. Der Tiergarten auf der gegenüberliegenden Straßenseite erschien von seiner Position aus gesehen bloß als große schwarze Masse.
    Wenige Meter vor ihm

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