Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
sagte De Marbot, »daß, wenn die Ethiker die Wathans nicht erschaffen hätten, unsere Körper jahrtausendelang Staub gewesen und Staub geblieben wären, bis selbst er zerfallen wäre …«
Tief unten, nur schwach im funkelnden Nebel auszumachen, befand sich eine große, graue Masse. Sie schien formlos zu sein, doch Loga hatte ihnen versichert, daß sie es ganz und gar nicht war.
»Das ist die Spitze der gewaltigen Masse organisierten Proteins, die den zentralen Teil des Computers darstellt«, hatte er gesagt. »Es ist das lebende, aber nicht mit einem Bewußtsein versehene Gehirn, dessen Körper der Turm, die Gralsteine und die Wiedererweckungskammer sind.«
Das »Gehirn« war jedoch nicht wie das menschliche, vom Schädel umschlossene Gehirn, geformt.
»Es erinnert einen mehr als alles andere an eure großen gotischen Kathedralen mit den fliegenden Strebepfeilern, Turmspitzen, dem mit Wasserspeiern verzierten Äußeren und den Türen und Fenstern. Es wird von Wasser umschlossen, in dem Zucker aufgelöst wurde. Das Gehirn würde zusammenbrechen und zu einer grauen Masse werden, wenn man die Flüssigkeit entfernt. Es sieht hübsch aus, ihr müßt es euch eines Tages ansehen.«
Es mußte wirklich gewaltig sein, wenn man es - noch dazu durch all die funkelnden Wathans - von ihrem Standpunkt aus sehen konnte. Es lag fünf Kilometer unter ihnen, und sie konnten nur einen Teil der wie eine graue Wolke wirkenden Spitze ausmachen. Der Rest des Gehirns nahm einen erweiterten Teil des Brunnens in Beschlag, einen Dom.
Bislang hatten sich die Bewohner noch nicht zu der Ebene gewagt, von der aus sie das Gehirn in seiner Gesamtheit betrachten konnten. Burton beabsichtigte auch jetzt nicht, dort hinzugehen. Statt dessen kehrte er zum Stuhl zurück und führte seinen Begleiter auf der anderen Seite des Turms einen Schacht hinab. Burton zählte die Etagen, die sie zurücklegten - er hatte sie während des ersten Aufstiegs zu der Ebene gezählt, die sein Ziel war - bis sie diejenige erreichten, die Logas versteckten Raum enthielt.
Bevor sie ihn erreicht hatten, hielt er den Stuhl an. Der Franzose schwebte auf gleicher Höhe an ihn heran. »Was ist los?« fragte er.
Burton schüttelte den Kopf und legte einen Finger an die Lippen. Er konnte zwar keinen mobilen Wandschirm sehen, aber vielleicht verfügte der Unbekannte über andere Möglichkeiten, sie zu beobachten. Auch wenn er sie jetzt nicht überwachte, würde der Computer ihr Vorgehen wahrscheinlich für einen späteren Zweck aufzeichnen.
Sie betraten ein großes Labor mit Instrumenten, deren Funktion Burton nicht kannte, wenn man von vier großen, grauen Metallschränken absah. Dies waren Energie-Materie-Konverter. Ihre Wände enthielten alle benötigten Schaltkreise. Im Prinzip waren die Wände sogar die Schaltkreise. Ihre Energie kam durch orangefarbene Kreise auf dem Boden, die denen in der Mitte der Schrankböden entsprachen. Zwei Schränke waren fest in den Boden eingelassen, aber die anderen konnte man frei im Raum bewegen. Wenn auch nicht gerade mit der Muskelkraft zweier Männer.
Burton machte kehrt und flog - gefolgt von De Marbot - aus dem Raum, durch den Gang, und an der Wand vorbei, hinter der sich Logas Geheimraum befand. De Marbot schien sich zwar zu fragen, warum Burton nicht stoppte, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Als sie die Ebene schließlich wieder erreicht hatten, auf der sich ihre Zimmerflucht befand - nachdem sie zufällig gewählte Schächte auf- und ab- und diverse Gänge entlanggerast waren -, sah er nicht mehr verwirrt aus, sondern eher gelangweilt. Aber als sie sich im Korridor befanden, zog er ein Notizbuch aus der Außenseitentasche des Stuhls und schrieb ein paar Worte nieder.
Burton nahm den Zettel und hielt ihn sich eng vor die Brust, dabei schirmte er ihn mit der linken Hand zum Teil ab. Er las: Wie lange muß ich noch warten, ehe du mich in deine Pläne einweihst?
Burton schrieb die Antwort mit einem Stift, den er dem Seitenbehälter seines Schwebestuhls entnommen hatte.
Irgendwann heute Abend.
De Marbot las es und lächelte. »Da habe ich etwas, auf das ich mich freuen kann«, murmelte er.
Er zerriß den Zettel in winzige Fetzen, warf sie auf den Fußboden und verbrannte sie mit seinem Strahler. Dann zerrieb er die Asche mit der Zehenspitze seiner Sandale und blies sie auseinander.
Sie warteten. Schließlich öffnete sich eine Wandnische, und eine mit Rädern und Gelenken versehene
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