Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
Alice?«
»Alice ist eine wohlbewachte Burg auf einem steilen Hügel, umgeben von einem breiten Wassergraben«, sagte Burton. »Versuch nicht, sie zu verminen. Nimm sie im Sturm.«
Der Amerikaner errötete. Alice behielt ihr Lächeln bei, sagte jedoch: »Bitte, Dick. Wir wollen doch nicht ausfallend werden.«
»Ich verspreche, mich zu benehmen«, sagte Burton. Er drehte sich um und fuhr zusammen. »Mein Gott! Wer …?«
Zwei Männer in Bedienstetenlivree standen neben dem Eßtisch. Nein. Keine Männer. Es waren Androiden. Der eine hatte das Gesicht Gladstones, der andere das Disraelis.
»Niemand sonst hat sich je von zwei englischen Premierministern bedienen lassen«, sagte Alice.
Burton fuhr zu ihr herum, das Gesicht rot, die Stirn gerunzelt.
»Alice! Wir haben über die Gefahr gesprochen! Der Schnark könnte sie programmieren, uns anzugreifen!«
Sie begegnete seinem Zorn mit Gelassenheit.
»Ja, wir haben darüber geredet. Aber du - oder sonst wer - hast auch gesagt, der Schnark hätte tausend Möglichkeiten, an uns heranzukommen. Er hat bislang noch nichts unternommen. Hätte er etwas unternehmen wollen, hätte er es schon längst getan. Zwei Androiden, sogar tausend Androiden machen da keinen Unterschied.«
»Ganz meine Meinung!« sagte Li Po mit seiner lauten, schrillen Stimme. »Bravo, Alice, daß du den ersten Schritt getan hast! Ich selbst habe auch ein paar Pläne für Androiden! Ich werde sie vielleicht noch heute Abend in die Tat umsetzen! Heute Abend! Ah, dann wirst du nicht mehr leiden, Li Po!«
Burton mußte sich insgeheim eingestehen, daß Alice recht hatte. Sie hätte die Androiden jedoch nicht erschaffen sollen, ohne vorher den Rat der anderen einzuholen. Zumindest ihn hätte sie darauf ansprechen sollen.
Vielleicht hätte sie es getan, wäre nicht ausgerechnet er der Führer dieser Gruppe gewesen. Burton hatte den Eindruck, daß sie jede Gelegenheit nutzte, um gegen ihn vorzugehen. Unter ihrem stillen, ruhigen Benehmen, hinter ihren großen, weichen, dunklen Augen, verbarg sich eine widerborstige Frau.
De Marbot und die Behn trafen leicht gerötet und schwitzend ein, als seien sie gerade aus dem Bett gestiegen oder hätten noch einen Streit gehabt. War das letztere der Fall, verbargen sie es gut. Sie lächelten, scherzten und schienen völlig ungezwungen zu sein.
Burton begrüßte sie und ging zu einem Seitentisch, auf dem Flaschen, Stängelgläser und ein großer Eisbehälter standen. Er winkte den Androiden mit dem Gesicht Gladstones hinfort, der sich ihm näherte und fragte, ob er ihm einen Drink eingießen könne. Wenn Alice die Gesichtszüge des Premierministers aus dem Gedächtnis rekonstruiert hatte, hatte sie wirklich gute Arbeit geleistet. Es war gut möglich, da der Mann oft in ihrem Elternhaus gespeist hatte. Wahrscheinlicher war jedoch, daß sie den Computer gebeten hatte, Gladstones Foto in den Akten ausfindig zu machen. Dann hatte sie dem Computer ihre Spezifikationen gegeben, und er hatte dieses lebendige, doch geistlose Wesen reproduziert.
»Bei Gott«, murmelte er, »das Ding hat sogar eine Stimme!«
Er nippte an seinem Roggenwhisky. Er war milder als alle anderen, die er auf der Erde je getrunken hatte, obwohl er an sich auf irgendeiner irdischen Marke basieren mußte. Dann ging er zu Nur hinüber, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Der kleine iberische Maure hielt ein Glas mit blaßgelbem Wein in der Hand, das ihm für den Abend genügen würde.
»Der Prophet hat kein alkoholisches Getränk verboten, nur Wein, der aus Datteln gemacht wird«, hatte er Burton einst erzählt, obwohl er es schon wußte. »Seine übereifrigen Schüler haben den Bann später auf alle Schnäpse ausgedehnt. Obwohl ich der Meinung war, dem Diktat dieser unwissenden Fundamentalisten nicht gehorchen zu müssen, konnte ich mich einfach nicht für hochprozentige Getränke begeistern. Ich habe jedoch Gefallen an diesem chinesischen Wein gefunden. Außerdem, selbst wenn ich ein Trunkenbold wäre, was würde Allah mir antun, das ich mir nicht schon selbst angetan habe? Und was Mohammed betrifft, wo ist er?«
Burton und Nur unterhielten sich eine Weile über Mekka, und dann kündigte der Disraeli-Android an, das Dinner sei serviert. Da jeder Gast Alice frühmorgens informiert hatte, was er gern essen würde, hatte der Computer sämtliche Gänge gespeichert und vorbereitet. Es dauerte nur eine Mikrosekunde, dann erschien das Essen in einem riesigen
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