Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
herritten. Keiner der anderen kannte sich in dieser Gegend aus, und so waren sie ganz auf seine Führung angewiesen.
Nach einer Weile stießen sie auf eine gepflasterte Straße, die von der Hauptstadt des Königreichs zum Herzogtum der Familie von Kercyan führte. Die Straße war schmal und in schlechtem Zustand: Es war offensichtlich, dass sie nur selten benutzt wurde. Erneut kamen Maara Zweifel an der Aufrichtigkeit des jungen Mannes. Führte er sie wirklich zur Burg seiner Familie oder vielleicht doch geradewegs in einen Hinterhalt?
Dieser Gedanke setzte sich in Maaras Kopf fest wie Unkraut in einer Mauerspalte. Schließlich war immer noch unklar, warum ihre Feinde von dem Versteck in dem Schuppen gewusst hatten. Mit einem Mal kam Maara ein schlimmer Verdacht, und sie fragte sich, warum sie nicht schon früher daran gedacht hatte: Vielleicht befand sich ein Verräter unter ihnen. Dass alle gegen die Angreifer gekämpft hatten, bewies gar nichts. Es konnte sich um ein Täuschungsmanöver handeln. Josion gab jedenfalls nicht viel von sich preis, und Maara hatte das unbestimmte Gefühl, dass er mehr als ein Geheimnis mit sich herumtrug. Wie sonst waren seine Verschlossenheit und seine wortkarge
Art zu erklären? Er fürchtete wohl, sich zu verraten, wenn er zu viel redete.
Während der nächsten beiden Dezimen hielt Maara den Blick beständig auf Josions Rücken gerichtet, bereit, ihre Waffe zu ziehen und ihm nachzugaloppieren, sollte er sich plötzlich davonmachen oder sich sonst irgendwie merkwürdig verhalten. Nach einer Weile hielt sie es jedoch nicht mehr aus: Bevor sie nicht wusste, woran sie war, würde sie keine Ruhe finden. Rasch gab sie ihrem Pferd die Schenkel und trabte nach vorn zu Josion.
»Wir sind schon seit einer ganzen Weile niemandem mehr begegnet«, sagte sie. »Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?«
Josion warf ihr einen unergründlichen Blick zu.
»Ja. Als ich noch auf der Burg lebte, bin ich diese Straße unzählige Mal entlanggeritten. Sie hat sich seitdem nicht großartig verändert. Vielleicht fehlen ein paar mehr Steine im Pflaster.«
»Darüber habe ich mich auch schon gewundert. Warum wird die Straße nicht besser in Stand gehalten? Ich dachte, das Herzogtum von Kercyan sei eines der bedeutendsten des Königreichs. Warum sieht man keine Händler?«
»Das Herzogtum von Kercyan ist wirtschaftlich unabhängig«, erklärte Josion. »Es gibt hier keine größeren Städte und nur wenige Dörfer. Der Reichtum unserer Familie beruht auf Landwirtschaft und Viehzucht, und die Bevölkerung versorgt sich selbst. Es gibt keine nennenswerten Handelsbeziehungen zu den großen Küstenstädten.«
Maara nickte. Josions Antwort klang einleuchtend, aber sie hatte auch nicht erwartet, dass er sich so schnell verriet. Nur wenige Dezillen später gelangten sie zu einer Kreuzung,
an der ein verwitterter, moosbewachsener Grenzstein stand. Der in den Stein gemeißelte Name des Herzogtums war gerade noch zu entziffern. Bis jetzt hatte Josion sie also nicht in die Irre geführt. Dennoch war Maara weiterhin davon überzeugt, dass Josion ihnen etwas Wichtiges verheimlichte. Er verhielt sich ganz einfach viel zu verdächtig, um ein reines Gewissen zu haben. Sie würde ihm schon noch auf die Schliche kommen.
Gegen Mit-Tag machten sie an einem großen Felsen Rast, der schlank und steil in den Himmel ragte. Im Norden Loreliens gab es mehrere solcher Kultsteine. Sie waren Überreste einer vergangenen Zeit, in der arkische Stämme gen Süden gezogen waren und in dieser Gegend gesiedelt hatten. Die Gefährten untersuchten den Stein, doch er wies keine Inschrift oder irgendwelche sonstigen Besonderheiten auf. Also setzten sie sich ins Gras, um etwas Brot und Käse zu essen, und ließen den Blick über die Hügel der Umgebung schweifen. Der Himmel verfinsterte sich von Dezille zu Dezille mehr, und die Wolken sanken immer tiefer. In der Ferne stiegen dünne Rauchsäulen auf, dort musste sich ein Dorf oder ein Bauernhof befinden.
»Erhebt ihr Steuern?«, fragte Maara. »Habt ihr eine Leibgarde? «
Die drei Cousins von Kercyan brachen in schallendes Gelächter aus. Maara, die sich fragte, was an ihrer Frage so amüsant war, funkelte sie wütend an.
»Früher unterhielt der Herzog von Kercyan eine kleine Armee«, erklärte Damián. »Zu Zeiten der Zwei Reiche hielten das fast alle Lehnsherren so. Aber nach der Vereinigung zu einem gemeinsamen Königreich wurde das
überflüssig, und heute gibt es in Lorelien
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