Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
Grund nicht erahnten. »Wir sind gleich da. Für den Fall, dass das Haupttor überwacht wird, sollten wir die Straße verlassen und quer durch den Wald reiten.«
Ohne auf die Zustimmung der anderen zu warten,
lenkte er sein Pferd in das Gestrüpp, das am Wegesrand wuchs. Im Schutz der Bäume ging es ihm gleich etwas besser, und er drang immer tiefer in den Wald vor. Abermals stiegen Erinnerungen in ihm auf. Der Geruch nach Rinde und feuchter Erde, die schattige Kühle, die Rufe der Bussarde und Eichelhäher waren dieselben wie vor zehn oder fünfzehn Jahren. Hier hatte er als Kind gespielt, endlose Streifzüge unternommen und sich zahllose Abenteuer ausgedacht. Damals hatte er sich für etwas Besonderes gehalten. Diese Zeit kam ihm furchtbar weit weg vor, dabei waren seither nur wenige Jahre vergangen.
»Weißt du, in welche Richtung wir reiten müssen?«, fragte Damián. »Bei bedecktem Himmel fällt die Orientierung schwer.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich bin tage- und nächtelang durch diese Wälder gestreift. Notfalls könnte ich mit geschlossenen Augen zur Burg finden.«
Tatsächlich erinnerte er sich an Übungen, bei denen Zejabel ihm die Augen verbunden hatte. Damals hatte er diese Aufgaben voller Stolz gemeistert, aber jetzt empfand er bei der Erinnerung nur noch Groll.
»Eine Burg kann ich jedenfalls nirgends entdecken«, sagte Maara mürrisch. »Ich hoffe, du erlaubst dir kein Spiel mit uns.«
Josion lächelte, eine Reaktion, mit der die Kriegerprinzessin nicht gerechnet hatte. Statt einer Antwort trabte er noch ein Stück weiter und zügelte sein Pferd kurz vor dem Waldrand. Im Schutz der Bäume machte er halt und genoss für einen Moment den Anblick, der sich ihm bot. Auch seine Gefährten, die ihre Pferde neben ihm zum Stehen brachten, schwiegen ehrfürchtig.
Vor ihnen lag Burg Clérimont, einst Stammsitz der Herzöge von Kercyan. Die wuchtige Festung war immer noch genauso imposant wie in seiner Erinnerung. In den vier Jahren, die Josion fort gewesen war, schien sich das alte Gemäuer nicht verändert zu haben. Wie seit Jahrhunderten stand die Burg unerschütterlich da. Sie waren noch ein ganzes Stück entfernt, und so konnten sie die hohen Mauern und majestätischen Zinnen umso besser bewundern.
Der Wehrturm ragte in den wolkenverhangenen, tiefschwarzen Himmel, als wollte er der Ewigkeit trotzen. Oder den Göttern, dachte Josion.
»Beeindruckend«, murmelte Souanne.
»Großartig«, pflichtete ihr Lorilis bei. »So ganz allein und mitten im Wald erinnert die Burg an einen schlafenden Riesen.«
»Wie viele Diener habt ihr?«, fragte Maara interessiert.
»Keinen einzigen.« Angesichts ihrer fassungslosen Miene fügte er hinzu: »Aber meine Eltern bewohnen auch nur einen kleinen Teil der Burg. Sie genießen die Abgeschiedenheit und Ruhe. Einmal im Jahr laden sie Bauern aus der Umgebung auf die Burg ein, um die nötigsten Reparaturen durchzuführen. Für die Einheimischen ist das eine willkommene Gelegenheit, sich ein paar Goldmünzen hinzuzuverdienen und nach getaner Arbeit ein rauschendes Fest zu feiern.«
Plötzlich merkte Josion, wie sehr er diese ausgelassenen Feiern vermisste. Sein Vater hatte erzählt, dass sich in den letzten Jahren nicht viel verändert hatte, mit einer Ausnahme natürlich: Josion nahm nicht mehr teil. Offenbar bedauerten viele Bauern seine Abwesenheit, ganz besonders
eine junge Frau mit blondem Haar, die ihn selbst nach vier Jahren nicht vergessen konnte …
Auch Josion litt unter der Trennung, aber er hatte keine Wahl. Auf keinen Fall wollte er jemand anderem die Last aufbürden, die er zu tragen hatte, aber er konnte sich auch nicht vorstellen, ein solches Geheimnis vor jemandem zu verbergen, mit dem er zusammenlebte. Wenn er jemanden liebte, wollte er sich diesem Menschen rückhaltlos anvertrauen. Deshalb war ihm nichts übriggeblieben, als fortzugehen – und hätte das Schicksal es nicht anders gewollt, wäre er niemals zurückgekehrt.
»Aus den Kaminen steigt kein Rauch auf«, bemerkte Guederic. »Es scheint niemand da zu sein.«
»Aber die Zugbrücke ist hochgezogen«, widersprach Najel. »Also muss jemand in der Burg sein. Oder benutzen deine Eltern einen anderen Zugang?«
»Es gibt tatsächlich einen verborgenen Zugang«, erklärte Josion. »Und damit meine ich nicht den Geheimgang«, setzte er rasch hinzu. »Ich und meine Eltern waren nur zu dritt, und da wäre es viel zu umständlich gewesen, jedes Mal die Zugbrücke hochzuziehen. Unten lassen konnten
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