Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
nur für ein Feigling!
Plötzlich stieg das Bild ihrer Großmutter vor ihrem geistigen Auge auf. Als sie das Jal entdeckt und den Hexer Saat besiegt hatte, war Léti kaum älter gewesen als Lorilis jetzt. Sie hätte sich bestimmt nicht in einer dunklen Ecke versteckt, um dem Kampf zu entgehen. Im Gegenteil, sie wäre vorangestürmt und hätte die Männer bereuen lassen, je einen Fuß in die Burg gesetzt zu haben.
Dieser Gedanke verlieh Lorilis die Kraft, sich aufzurichten. Es mochte reichen, wenn sie den anderen nur ein bisschen Luft verschaffte. Sie würden sicher jeden noch so kleinen Vorteil zu nutzen wissen. Jetzt brauchte sie nur noch eine Idee, und zwar schnell! Was konnte sie tun? Wie konnte sie in den Kampf eingreifen, ohne dass es einem Selbstmord gleichkäme?
Da hatte sie einen Geistesblitz. Souanne und Guederic
hatten im Zuge zahlreicher Ausweichmanöver mit ihren drei Angreifern den Platz getauscht, und die Männer wandten Lorilis jetzt den Rücken zu. Eine solche Gelegenheit würde sich so schnell nicht wieder bieten!
Abermals überfiel Lorilis lähmende Angst. Sie wagte nicht, sich von der Wand zu lösen. Was, wenn einer der Angreifer sie dabei ertappte, wie sie durch den Saal schlich? Was, wenn er sie mit seinem Schwert verletzte? Wie würde es sich anfühlen, wenn ihr die Klinge ins Fleisch schnitt? Oder würde er sie gleich töten?
Plötzlich schrie Guederic auf: Er war am Oberschenkel getroffen worden. Aus einem tiefen Schnitt spritzte Blut und färbte seine Hose rot. Tränen liefen ihm übers Gesicht, aber er kämpfte tapfer weiter.
Lorilis gab sich einen Ruck. Sie durfte nicht länger zögern. Fieberhaft rannte sie hinüber zu der Wand, an der die Waffen hingen, und packte einen Holzschild, der ihr bis zum Kinn reichte. Sie warf ihren Dolch fort und griff stattdessen nach einem Knüppel mit Eisenstacheln, der ihr zwar schwer in der Hand lag, sich aber einfacher handhaben ließ. Derart bewaffnet schlich sie auf Souannes und Guederics Gegner zu.
Lorilis wagte kaum zu atmen, während sie über den Rand ihres Schilds spähte. Ihre Gegner sprangen ständig vor und zurück, schwangen ihre Schwerter oder wirbelten zur Seite, um Souannes und Guederics Hieben auszuweichen. Bald war Lorilis nah genug. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit dem Mut der Verzweiflung legte sie die letzten Schritte zurück und ließ ihren Knüppel auf den Schädel eines der Männer niedersausen.
Sie schlug mit aller Kraft zu, aber der Mann ging nicht
zu Boden. Lorilis erstarrte vor Schreck, als er sich zu ihr umwandte. Aus seinen Augen blitzten Hass und ungebrochener Kampfgeist.
Als der Mann mit dem Schwert nach ihr stieß, duckte sich Lorilis blitzschnell hinter den Schild. Der Schlag der Klinge gegen das Holz brachte sie fast zu Fall, und sie kauerte sich noch etwas mehr zusammen. Plötzlich kam ihr der Schild gar nicht mehr so massiv vor. Ein zweiter und dritter Hieb erschütterten das Holz, und das Beben übertrug sich auf ihren Körper. So also würde sie enden! Niedergemetzelt von einem Söldner, ohne auch nur den Grund dafür zu kennen! Ihre Verzweiflung drängte alles andere in den Hintergrund. Es war so ungerecht! Sie hatte den Tod nicht verdient! Was half es den Anhängern einer obskuren Sekte, wenn sie starb? Noch vor einem Dekant hatte sie nichts von dem Geheimnis des Jal gewusst. Falls es darum überhaupt ging …
Lorilis umklammerte ihren Schild und gab jede Hoffnung auf, lebend aus dem Saal herauszukommen. Dabei bräuchte es gar nicht viel … Einer der anderen könnte sie retten … Ihr Gegner könnte Erbarmen haben …
Aber da konnte sie gleich auf ein Wunder hoffen: Der Mann schlug immer heftiger zu und schien sich in eine regelrechte Raserei hineinzusteigern. Obwohl er ihr längst den Rest hätte geben können, drosch er immer weiter auf den Holzschild ein und weidete sich an ihrer Furcht.
Nun empfand Lorilis nicht mehr nur Angst, sondern mindestens ebenso viel Hass. Sie wünschte, der Mann würde vor Anstrengung einen Herzanfall bekommen und tot umfallen. Ohne zu zögern holte sie abermals mit dem Knüppel zum Gegenschlag aus. Auch er sollte
wissen, was Schmerz ist, wenigstens einmal! Er sollte von ihr nicht das Bild eines verschreckten Kindes zurückbehalten, das er wie einen Käfer zerquetscht hatte. Doch der Mann hatte keinerlei Mühe, Lorilis’ ungeschicktem Schlag auszuweichen. Ihre Gegenwehr schien ihn sogar zu amüsieren, denn er verlangsamte seine eigenen Schläge, um sie noch mehr zu
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