Die Götter von Freistatt
auf das blauschwarze Meer senkten. »Jeder hat seinen Helden, wißt Ihr? Ein Gott genügt einem richtigen Mann nicht - er sehnt sich nach einem Ideal aus Fleisch und Blut. Als er um ein Pferd zu mir schickte und der Gott es genehmigte, war ich hocherfreut. Jetzt kann ich möglicherweise mehr tun. Vielleicht mußte das Pferd nicht umsonst sein Leben lassen.«
»Ich verstehe Euch nicht, Priester.«
»Mein Lord, macht mich nicht zu heilig. Ich bin Vashankas Priester: Ich kenne viele Requiems und Schwüre und dreiunddreißig Arten des Bestattungsfeuers für einen Krieger. In der Söldnerzunft nennt man mich Stiefsohn. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich ebenfalls so nennen würdet. Und gestattet, daß ich mich etwas ausführlicher mit Euch über eine Zukunft unterhalte, in der Euer Geschick und die Wünsche des Sturmgottes sich als ein und dasselbe herausstellen könnte.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich in meinem Herzen Platz für einen solchen Gott finden kann. Es fällt mir so schon schwer genug, Frömmigkeit vorzutäuschen«, knirschte Kadakithis zwischen den Zähnen und blickte Tempus mit zusammengekniffenen Augen nach.
»Oh, Ihr werdet es, Ihr werdet es«, versicherte ihm der Priester. Er saß von seinem Pferd ab und ging auf Tempus’ Fuchs zu. Er bückte sich und strich über die weißen Beine des Tieres. »Seht, Prinz«, rief er und verrenkte sich schier den Hals, um Kadakithis’ Gesicht zu sehen, während er an der Goldkette zupfte, die sich um den Huf des Fuchses verwickelt hatte. Sandig, aber trotzdem goldglänzend hing ein Amulett an ihr. »Der Gott will ihn zurück!«
3
Staubig vom Landweg oder mit blauen Lippen von stürmischer Seefahrt, brachten die Söldner die Hölle in die bisherige Trostlosigkeit. Selbst für Taschendiebe und Kuppler war das Labyrinth nicht mehr sicher; und Wucherer sowie Zauberer verschwanden hastig von den Straßen, wo sie bisher furchtlos herumstolziert waren, in den nächsten Torweg.
Nur die Dirnen genossen den neuen Zustand. Obeinig und mit verträumtem Blick trugen sie schon in aller Frühe ihren neuen Putz zur Schau, während die meisten Söldner noch schliefen. Die Schenken wagten nicht mehr, überhaupt eine Ruhezeit einzulegen, aus Angst, ein Söldner könnte eine geschlossene Tür als Beleidigung betrachten. Schon früh am Tag kam es in den Gaststuben zu Schlägereien, und in den Gossen lagen Tote. Die Garnisonssoldaten und Höllenhunde waren nicht allgegenwärtig, und wo immer sie nicht waren - wie im Labyrinth an diesem Morgen -, nahmen die Söldner sich alles mögliche heraus.
Obgleich das Gold in Freistatt noch nie so geflossen war wie jetzt, hatte doch jede Gilde, jede Zunft und jede Bürgergruppe bei Sonnenaufgang einen Vertreter, der Beschwerde einlegen sollte, in den Palast geschickt.
Lastel, alias Eindaumen, verstand nicht, weshalb die Freistätter so entsetzt waren. Er war glücklich, denn er lebte und stand wieder hinter dem Schanktisch des Wilden Einhorns, wo er viel Geld einnahm, und Geld machte Lastel immer glücklich. Früher hatte Lastel das Leben gar nicht wirklich zu schätzen gewußt, bis er Äonen lang, wie ihm schien, immer und immer wieder sein zweites Ich töten mußte und von ihm getötet wurde, und zwar auf Grund eines Schutzzaubers, den er sich vom Hexer Mizraith erkauft hatte, und den dessen Söhne nach des Zauberers Tod umgewandelt hatten. (5) Glücklicherweise war er von jemandem aufgehoben worden. Nun rechnete er jede Nacht damit, daß sein geheimnisvoller Wohltäter sich auf den Schanktisch lehnen und sagen würde: »Lastel, ich habe Euch gerettet - ja, ich! Nun beweist Eure Dankbarkeit.« Auch wenn er sich bisher damit Zeit gelassen hatte, würde er doch irgendwann auftauchen. Aber das schmälerte Eindaumens Glücksgefühl nicht. Er hatte eine neue Ladung Caronne-Krrf hereinbekommen (schwarz, absolut rein, ausgezeichnet und genug, um alle Söldner in Freistatt damit aufzuputschen), aber er war so gut, daß er ihn nicht auf den Markt brachte. Nachdem er es sich lang und breit überlegt hatte, beschloß er, ihn ganz für sich zu behalten. Und so war er wirklich sehr glücklich, egal zu wie vielen Schlägereien es in der Schenke kam, oder wie hoch die Sonne bereits stand, ehe er zu Bett kam ...
Selbst Tempus war an diesem Morgen glücklich mit dem edlen Trospferd zwischen den Schenkeln und Anzeichen des Krieges ringsum. Er sah genügend schwerbewaffnete Fußsoldaten und Schützen mit Armbrüsten (deren Sehnen aus Frauenhaar geflochten
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