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Die Göttin der kleinen Siege

Die Göttin der kleinen Siege

Titel: Die Göttin der kleinen Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannick Grannec
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keine Socken mehr trug, aber Maja fürchtete, ich könne mich erkälten. Ich schwitze so sehr, dass ich die Socken abends ausdrücken und Flakons damit füllen könnte – Echter Genieschweiß .“
    „Wie geht es Ihrer Schwester?“
    „Maja muss noch immer das Bett hüten. Sie erholt sich nur schwerlich von ihrem Schlaganfall. Sie so dahinsiechen zu sehen, bricht mir das Herz – und konfrontiert mich, egoistischer betrachtet, mit meiner eigenen Sterblichkeit. Adele, gehen Sie auf dem Rückweg doch Maja besuchen. Ihr fehlt Gesellschaft.“
    Er musste sich unterbrechen, um Bekannte zu grüßen; sie wurden immer zahlreicher, je näher wir der Universität kamen, die ihren 200. Gründungstag feierte. Die sonstige Ruhe auf dem Campus war von mannigfaltigen Feiern und dem Kommen und Gehen der Besucher durcheinandergeraten. In diesem Herbst 1946 wohnten wir seit über fünf Jahren in Princeton – eine Ewigkeit in dieser zeitlosen Enklave. Ich hatte mich eingewöhnt, mochte aber dieses im Vergleich zu meinem brodelnden Vorkriegswien beengte provinzielle Leben nicht so sehr. Princeton war wie eine Insel, ein großes Dorf, das sich um seine Universität drehte. Umgeben von Wäldern und Seen, durchzogen von makellosen Rasenflächen und mit ihren neogotischen Gebäuden, gab sie sich ein europäisches Flair. In diesem antiquierten Kokon hatte das Institute for Advanced Study ein beispielloses lebendes Inventar an Genies versammelt, die während des Krieges verfolgt worden waren. Die Vertreibung der Elite der Juden, der Sozialisten, der Künstler, der Pazifisten und jener Menschen, auf die alle vier Kriterien zutrafen, hatte dem Institut eine ganze Ladung neuer Rekruten geliefert. Mein Mann war einer davon, auch wenn er keines dieser Etiketten für sich geltend machen konnte. Er war lediglich ein Wissenschaftler in einer prekären Lage gewesen – andere hatten ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Das IAS, das trotz der räumlichen Nähe zur Universität unabhängig und in einem eigenen Gebäude untergebracht ist, war ein Staat im Staate, eine Art wissenschaftlicher Olymp – sofern Götter veralten konnten. Aus Sicht der Akademikergattinnen war Princeton nicht mehr und nicht weniger als eine Garnisonsstadt. Stillschweigend reproduzierten sie übrigens die Hierarchie, die nach dem Ansehen ihrer jeweiligen Gatten galt. Die von Neumanns und die Oppenheimers bewohnten imposante Villen. Der Halbgott Einstein, der seinem Nonkonformismus treu geblieben war, hatte eine bescheidene Behausung gewählt. Kurt war ein Fall für sich, eine Kuriosität: ein General mit dem Sold eines Fußsoldaten, denn wir mussten uns mit einer jämmerlichen Wohnung begnügen. Dieses muntere Völkchen besuchte sich gegenseitig im Familienkreis zum Dinner oder veranstaltete musikalische Soireen. Die mitteleuropäischen Intellektuellen versuchten, fern des zerstörten Europas wieder ein pulsierendes kulturelles Leben aufzubauen. Solche Sehnsüchte hegte ich nicht.
    Einstein gelang es, nicht ohne Mühe, der Gruppe Schaulustiger zu entkommen.
    „Wären diese Festlichkeiten doch nur schon vorbei! Princeton ist überfüllt. Man kann nicht einmal in Ruhe einen kleinen Spaziergang machen. Ich komme mir schon vor wie eine Schönheitskönigin – meine Tanzkarte ist voll mit Medaillengewinnen. Von den Vorträgen gar nicht zu reden!“
    „Ich gehe nie zu Vorträgen, da es mir schwerfällt, ihnen zu folgen, selbst wenn ich mit der Materie gut vertraut bin.“
    „Nutzen Sie Ihre Freiheit, Gödel. Ich kann mich nicht mehr hinten im Saal neben den Heizkörpern verstecken und Siesta halten. Alle erwarten, dass ich etwas Kluges von mir gebe.“
    „Haben Sie während meines Vortrags geschlafen?“
    „Aber nein, mein Freund. Auch wenn er ziemlich … dürr war. Ich habe mich an den Zweigen festgehalten, glauben Sie mir.“
    „Kurt ist bei Weitem der Beste!“
    Ich sagte es ganz automatisch dahin, ich hatte von seiner Rede nichts begriffen und ich war beileibe nicht die Einzige gewesen.
    „Daran zweifelt niemand, gnädige Frau.“
    „Ich falle nicht darauf herein. Mein Vortrag war ein Reinfall.“
    „Sie geißeln sich wegen nichts und wieder nichts, Gödel. Er wurde höchstens mit Zurückhaltung aufgenommen. Sie sind ja auch nicht leicht zu verstehen! Große Geister sind schon immer auf erbitterte Opposition vonseiten mittelmäßiger Geister gestoßen.“
    „Das Publikum wurde gegen mich aufgehetzt. Die Geheimdienste haben die ganze Universität infiltriert. Von nun an

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