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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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gegen dich gebunden.«
    »Knoten?« wiederholte die Magd verständnislos. »Ruhig, Herrin, ruhig. Es gut ist. Alles gut ist!«
    Ungläubig sah Moria die Magd an. Die strich ihr über die Stirn, legte ihr die Hände an die Schläfen.
    Und dann war wirklich alles gut.
     

17
    Letzte Abenddämmerung über dem Moor.
    Der Bohlenweg, wenige Schritte weit als grün überwucherter Pfad zu erkennen, verlor sich im Dunkel. Nebel gleich wallenden Tüchern über finsteren Tümpeln. Schwarze Gerippe wie Totenfinger ins sterbende Licht gekrallt.
    Schaudernd zog Haibe den Umhang enger.
    Sie hatte gehofft, noch heute Lykos' Hof zu erreichen, viehleicht gar Naki in die Arme zu schließen.
    So lange hatte es gedauert, bis sie hierhergelangt war, viel länger als geplant.
    Es war schwer geworden, sich in diesem Land zu bewegen, ohne sich in Gefahr zu bringen. Ständig mußte sie gewärtig sein, Kriegern in die Hände zu laufen, die jeder fremden Frau mit Argwohn nachspürten, die nach den aus dem Königshof befreiten Frauen Ausschau hielten.
    Drei Tage und Nächte hatte sie einmal beinahe reglos in einem Versteck im Wald verharren müssen, ehe sie weiterwandern konnte.
    Fünfzehn Tage lang war sie bei jener freundlichen Bauernfamilie untergekrochen, die sie vom Sommer her kannte, bei Wai und ihrer Mutter, während ein furchtbarer Herr namens Hairox mit seinen Kriegern die Gegend besetzt hielt und durchforstete.
    Was für eine Fügung, daß ausgerechnet die Freundin aus Wais Kindertagen die Frau von jenem Lykos war, der Naki entführt hatte!
    Wai hatte ihr viel von dieser Moria erzählt. Wie gut sie befreundet gewesen seien. Und wie plötzlich Morias Vater diese Freundschaft beendet habe.
    Wenn sie Wai zugehört hatte, war es gewesen, als sei sie Naki ein Stück näher. Als könne es Naki so schlimm nicht ergehen, wenn sie die gleiche Luft mit einer Frau atmete, die einmal Wais Freundin gewesen war.
    Es wären gute Tage gewesen, wenn nicht die Ungeduld sie verzehrt und fast zur Raserei getrieben hätte, die Ungeduld, Naki zu sehen, Naki zu retten und zu den anderen Frauen und Mädchen zu bringen, sie alle gemeinsam in die neue Heimat zu führen, ehe das Einsetzen der Winterstürme das Überqueren der Meerengen unmöglich machen würde.
    Nun endlich war sie kurz vor dem Ziel. Nur eine kleine Wegstrecke trennte sie noch vom Wiedersehen mit Naki.
    Wenn es denn überhaupt ein Wiedersehen gab. Wenn sie noch lebte, die Tochter.
    Diese Erinnerung an den Augenblick der furchtbaren Erkenntnis am Bach, die sich nur zurückdrängen ließ, nicht völlig löschen. Dieses nagende Gefühl, daß sie ihre Tochter verlieren würde, vielleicht schon verloren hatte ...
    Hätte sie nur endlich Gewißheit!
    Doch bei Nacht über dieses unbekannte Moor – unmöglich.
    Eine Gestalt tauchte in der Ferne auf, kam stetig näher, teilte die Nebel, schritt auf Haibe zu.
    Sie zögerte zwischen Fluchtbereitschaft und Abwarten. Es war ein junger Mann. Ein Bauer.
    Sie blieb.
    Er grüßte und sprach sie in der Sprache des Alten Volkes an.
    »Du willst doch nicht jetzt noch über das Moor, Fremde? Selbst ich möchte den Weg im Nebel nicht zurückgehen, und kenne ihn wie mich selbst!«
    »Nein. Ich warte bis morgen. Kannst du mir sagen, wo ich für die Nacht unterkommen könnte?«
    Er musterte sie überrascht, scharf. »Du sprichst nicht wie wir. Beinahe sprichst du wie –« Er brach ab.
    »Ich habe einen weiten Weg hinter mir«, erwiderte sie vorsichtig.
    In seinen Augen blitzte es auf. Er nickte, als habe sie ihm eine wichtige Mitteilung gemacht. Und dann fragte er: »Meinst du, die Kraniche ziehen bald?«
    »Wieso?« Verwundert sah sie ihn an. Warum fragte er etwas so Sinnloses? »Ich denke, dafür ist es noch zu früh.«
    Er gab keine Antwort, schien auf unbegreifliche Art enttäuscht.
    Schweigend gingen sie nebeneinander. Verunsichert wiederholte Haibe ihre Frage nach einer Unterkunft.
    Er nickte. »Du kannst heute nacht bei uns bleiben! Meine Schwestern werden dich aufnehmen. Wo willst du hin?«
    Sie zögerte. Konnte sie diesem Mann vertrauen? »In die Nähe vom Lykoshof. Du kennst ihn?«
    »Lykos?« Er lachte ein bitteres Lachen, fuhr sich mit der Hand an die Narbe, die sein Gesicht vom Mund bis zum Ohr zerfurchte. »Wer kennt den nicht!«
    Sie gingen auf das Dorf zu. Er wies darauf. »Da, der erste Hof, dort wohnen wir! Übrigens, mein Name ist Irrkru.« »Haibe«, erwiderte sie und verneigte sich leicht.
    Sie erreichten den Hof, ein Hund bellte, ein kleines

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