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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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braucht!
    Gemeinsam können wir es schaffen! Die Truppen von Hairox sind nicht groß, er kann unmöglich überall zugleich sein, und seit Kriegsbeginn sind die Herrenhöfe schlecht behütet –wir könnten ihre Herrschaft abschütteln, zum ersten Mal glaube ich wirklich daran!«
    »Still, Irrkru, hörst du nichts?!« Daire legte ihm die Hand auf die Schulter. In der Ferne bellte ein Hund.
    Der Hofhund stellte wachsam die Ohren auf, begann ebenfalls zu bellen.
    »Da nähert sich jemand dem Dorf«, flüsterte Daire.
    Irrkru wollte zur Tür, doch Daire hinderte ihn und hieß den Hund schweigen. »Löscht die Fackeln! Wir dürfen kein Mißtrauen dadurch erwecken, daß man uns mitten in der Nacht beratend vorfindet.«
    Das Hoftor knarrte.
    »Jetzt zünden wir Fackeln an und gehen hinaus, als wären wir eben aufgewacht!« forderte Daire die anderen auf.
    Irrkru griff sich einen schweren Knüppel, Lele ein Messer. Daire ein Beil. Da nahm auch Haibe ein Holzscheit und folgte den anderen in den Hof.
    Kein Mensch zu sehen. Der Hund stürmte vor ihnen her. Doch plötzlich stoppte er und blieb winselnd und heulend vor einem schwarzen Bündel stehen, das neben dem offenen Hoftor lag.
    Daire rannte. Das Licht ihrer Fackel erfaßte das Bündel. Da schrie Daire auf und warf sich zu Boden.
    Es war ein toter Knabe, sein Rücken war von Rutenhieben völlig zerrissen.
    »Fior!« schluchzte Daire. »Unser Fior!«
    Auch Irrkru fiel auf die Knie, umfaßte den Kopf des Knaben, schloß ihm die Augen und weinte.
    Lele aber stand starr, mit eisiger Ruhe. Und plötzlich riß sie die Hände zum Himmel und gelobte: »Ich werde dich rächen, kleiner Bruder! Ich schwöre es! Jeden Schmerz, den man dir angetan hat, werde ich vielfach vergelten! Mein ganzes Leben will ich der Rache weihen für deine Leiden und deinen Tod!
    In deiner kindlichen Schwachheit, die kein Mensch dir zum Vorwurf machen kann, hast du ehrfurchtsvoll dem Herrn angehangen, der dich auf das grausamste verblendet hat. Willig hast du denen gehorcht, die dich zu den Wolfskriegern zwangen.
    Und sie haben dich grausam mißhandelt und getötet! Dich, der d u dich ihnen unterworfen hattest! Warst du ihnen zu menschlich? War ihnen dein Herz zu liebevoll? Warst du ihnen nicht mitleidlos genug? Kleiner Bruder, du warst nicht geschaffen für ein Leben als Wolfskrieger. Du warst geboren für ein Leben als Bauer.
    Ich schwöre, ich werde mein Leben dafür geben, daß Kinder wie du nicht mehr mißhandelt und verführt, nicht mehr zu den Wolfskriegern gezwungen und nicht mehr getötet werden!
    Hört ihr es alle, hört ihr es?!
    Jetzt gibt es nichts mehr, was mich zurückhält! Nichts mehr!«
    Irrkru stand auf und reichte Lele die Hand. »Nichts mehr!«
    Da hob auch Daire ihr tränenüberströmtes Gesicht und bestätigte: »Nichts mehr!«
    Hinter den Sträuchern am Bach wartete Haibe, dort, wo Irrkru ihr geraten hatte. Naki komme täglich hierher, um die Kleinen zu baden, hatte er gesagt.
    Haibe schloß die Augen.
    Eine so lange Zeit der Suche, des Hoffens, des verzweifelten Bemühens. Und nun plötzlich doch unvorbereitet.
    Sie öffnete die Augen wieder – und sah Naki.
    Ruhig schritt Naki dem Bach entgegen, ein Baby ritt auf ihrer Hüfte, das andere trug sie im Arm.
    Naki! wollte Haibe rufen, sich zeigen, auf die Tochter zulaufen.
    Sie verharrte reglos und stumm.
    Da war diese Furcht, das Bild könne zerrinnen, sobald sie daran rührte.
    Im Gesicht der Tochter suchte sie das verlorene Jahr, sah es in den herben Zügen, die sich über die einstige Weichheit und Kindlichkeit geprägt hatten. Meine Naki, was haben sie dir angetan!
    Naki kniete am Bach nieder, legte das kleinere Baby ins Gras, entfernte dem größeren Kleidung und Windel und hielt es ins langsam strömende Wasser.
    Das Baby strampelte vergnügt.
    Naki lachte.
    Dieses Lachen brachte die alte Vertrautheit zurück.
    Naki wischte mit der Hand das Wasser von der Haut des kleinen Jungen, warf ihn in die Luft, fing ihn wieder auf, stemmte ihn hoch, ließ ihn durch die Luft kreisen.
    Und sah zu dem Strauch.
    Ihre Augen weiteten sich vor Ungläubigkeit. Sie preßte den Kleinen an sich, nahm beinahe traumwandlerisch auch das zweite Baby wieder auf, wandte den Blick nicht von Haibe.
    »Naki«, sagte Haibe unter Tränen.
    Und dann hielt sie ihre Tochter in den Armen.
    Kupfern und golden glühte die Eiche. Moria saß auf der Bank im Hof, das Gesicht im Licht.
    Die Sonne wie ein Bad aus warmem, schmeichelndem Wasser. Der Duft des schwarzen

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