Die Göttin im Stein
wieder hinaus, leise vor sich hin schimpfend.
Naki lachte.
Vorsichtig ließ sie die Kleine von ihrer Brust gleiten, bettete sie auf das Fell und deckte sie mit einem Tuch zu. Dann schloß sie ihren Kittel, stand auf, nahm Wirrkon auf den Arm und trank von der gut gekühlten Buttermilch.
Noedia füttert mich wie eine wertvolle Milchkuh! dachte Naki und lachte wieder.
Wirrkon lachte mit.
»Naki, kannst du kommen?« rief Cythia aus dem Nebenraum. »Wir müssen wieder den Eiter zum Fließen bringen!«
Naki ging durch die Tür, stieß beinahe mit Noedia zusammen, die fluchtartig den Raum verließ, steckte Wirrkon in die Rückenschlinge, kniete sich hinter die fiebernde Herrin und hielt sie, während Cythia mit einem abgerundeten Holzstab durch die Scheide in den Unterleib der Kranken eindrang und dem Eiter einen Weg eröffnete.
Tagtäglich leistete Naki Hilfe bei dieser Behandlung. Doch noch immer bewunderte sie die Geschicklichkeit und Entschlossenheit, mit der Cythia diesen Eingriff vornahm.
Moria zuckte in Nakis Armen, stöhnte und wimmerte in ihrem ohnmächtigen Schlaf.
Cythia seufzte erleichtert. »Es ist besser geworden! Heute fließt weniger Eiter ab. Gib mir die Schale mit dem Kräutersud!«
Naki machte die gewünschten Handreichungen und wusch die Herrin. Diesmal kam sie ihr nicht mehr ganz so heiß vor.
»Das Fieber läßt nach!« erklärte Cythia. »Dem Himmel sei Dank! Ihr Leben ist gerettet.« Cythia machte eine Pause und fügte leise hinzu: »Ich wollte nur, ich wüßte, ob auch ihre Fruchtbarkeit gerettet ist! Könnte ich meine Großmutter fragen!«
»Eure Großmutter?« wiederholte Naki.
Cythia nickte. »Alles, was ich an Heilkunde weiß, habe ich von ihr.
Sie war es, die mir erklärt hat, wie man im äußersten Notfall ein Kind im Mutterleib wendet und an den Beinen herauszieht. Und sie hat mich zusehen lassen, als sie bei der Nebenfrau meines Vaters den Eiter hat abfließen lassen. Obwohl ich damals noch ein ganz junges Mädchen war.
Nun ist sie schon lange tot.
Seltsam, irgendwie erinnerst du mich an sie. Na ja, ihre Mutter war auch vom Alten Volk.
Wenn sie damals noch gelebt hätte, damals, als das geschah mit ...« Cythia brach ab und stand auf. »Geh nach draußen, Naki! Ich rufe dich, wenn die Kleine weint!«
»Danke. Ihr sehr freundlich seid, Herrin Cythia.«
Naki wandte sich zur Tür. Da hörte sie hinter sich die schwache Stimme der kranken Herrin: »Cythia?«
Naki drehte sich um. Die Kranke hatte die Augen geöffnet. Zum ersten Mal faßte ihr Blick.
»Mein Kind, mein Töchterchen, was ist mit ihr?« fragte die kranke Herrin.
Naki lief in den Nebenraum, hob das kleine Mädchen vom Fell auf, schlug es in das Tuch ein, trug es zu seiner Mutter und legte es ihr in den Arm.
Diese strich unendlich behutsam über das Köpfchen ihres Kindes, fuhr die Linie seiner kleinen Nase ab, faßte nach den winzigen Händchen.
Das Kleine öffnete die Faust, griff im Schlaf nach einem Finger seiner Mutter und umklammerte ihn.
»Es lebt«, flüsterte die Herrin, »daß es lebt!«
»Ja«, sagte Cythia, »deine Tochter lebt und sie wird leben. Und das ist Nakis Verdienst!«
»Naki?« Die Herrin blickte auf, sah Naki an.
»Ja«, erwiderte Cythia. »Naki stillt sie Tag und Nacht, fast möchte man sagen: ohne Unterlaß. Und sie sorgt auch sonst für die Kleine. Auf sehr bäuerische Art, muß ich sagen, entgegen allem, was ich immer für richtig gehalten habe – aber mit offensichtlichem Erfolg.
Deine Kleine ist ein ganzes Stück gewachsen und schon viel kräftiger geworden, und das ist zweifellos das Ergebnis der liebevollen Verwöhnung, die Naki ihr angedeihen läßt.
Hör auf meinen Rat und ändere nichts daran!«
Noedia trat aus dem Nebenraum herein. »Wenn der Herr davon erfährt, daß seine Tochter wie ein Bauernkind aufgezogen wurde!« wandte sie besorgt ein. »Und daß Ihr das geduldet habt, Herrin! Ihr wißt doch: Wenn Lykos da wäre, würde er nie erlauben, daß seine Tochter so bäuerisch aufwächst!«
Die Herrin wiegte ihr Kind. »Wenn Lykos da wäre«, sagte sie leise, »würde er nie erlauben, daß ein so kleines Mädchen überhaupt aufgezogen wird.
Er hätte es getötet.«
Unwillkürlich schrie Naki auf.
Die Herrin hob den Kopf und lächelte Naki zu. Beinahe schüchtern sah dieses Lächeln aus. »Aber Lykos ist nicht da!« erklärte sie. »Und bis er heimkommt, ist das Kind stark und kräftig. Und so alt, daß er es nach dem Brauch am Leben lassen muß. Naki, sorg für
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