Die Göttin im Stein
durchschlagen konnte – so hat sich Songos Opfer gelohnt.«
»Songo, wenn sie noch lebte, wenn sie an meiner Seite kämpfen würde!« stöhnte Ritgo.
Schweigend gingen sie nebeneinander. Haibe streifte Ritgo hin und wieder mit einem Blick von der Seite.
»Es wäre dir eine Hilfe in deinem Kampf, wenn die Söhne des Himmels in ihrer eigenen Heimat in Schwierigkeiten steckten, Aufstände niederschlagen müßten, Verluste hätten, um ihre Familien fürchteten, nicht wahr?« sagte sie.
Er nickte. »Sicher. Aber ich muß noch heute nach Norden aufbrechen. Die Söhne des Himmels dringen mit ihrem König beängstigend weit an die Grenzen des Meeres vor.«
»Vielleicht brauchen die Bauern gar nicht dich. Sie kennen dich ja nicht. Nur dein Ruf ist zu ihnen gedrungen, und der hat nicht viel mit dir zu tun.
Vielleicht brauchen sie nur den Glauben an den Bernsteinbären.
Und die Söhne des Himmels die Furcht vor ihm. Wer auch immer er ist.«
Er starrte sie an. Dann lachte er.
Der Mond ging über dem Schwarzmoor auf. Seine schwindende Sichel brachte nur wenig Licht.
Naki stand in der Tür der Laubscheuer und durchforschte mit den Augen die Finsternis. Wenn der Mond aufgeht ...
»Wenn der Mond heut nacht aufgeht, in unserer Laubscheuer?« fragte Irrkru.
Sie lächelte und rieb ihre Wange an seiner Schulter. Ihre Laubscheuer . . .
Schon oft hatten sie sich dort getroffen. Aber noch nie bei Nacht.
»Wirst du dasein?« fragte er eindringlich.
»Ja, ich denke schon. Ria schläft jetzt viel besser.«
»Denkst du es, oder bist du sicher?«
»Du willst es aber genau wissen!« Sie lachte, blinzelte ihm zu.
Irrkru lachte nicht. »Kannst du wirklich nachts den Hof verlassen?«
Vergebens suchte sie in seinen Augen eine Andeutung von Zärtlichkeit oder Leidenschaft. Sie sah nichts als Besorgnis. »Doch«, sagte sie ernüchtert. »Ich muß es natürlich der Herrin sagen, damit sie den wachhabenden Knecht anweist, mich hinaus- und auch wieder hereinzulassen. Mit diesem schrecklichen Chtairus wäre das schlecht zu erreichen. Aber der hat sich ja das Bein gebrochen und ist vollauf mit Jammern beschäftigt!
Stell dir vor, er behauptet, die Leiter des Hochsitzes sei angesägt gewesen, aber keiner glaubt es ihm, denn am nächsten Tag war sie heil und so gut wie neu, und jeder weiß, daß Chtairus am Abend davor zuviel getrunken hatte!«
Doch Irrkru, sonst begierig auf jede Art von Klatsch aus dem Lykoshof, ging nicht auf die Geschichte ein. »Und du bist sicher, daß die Herrin dich gehen läßt?« drängte er weiter.
»Ganz sicher«, erwiderte sie und strich ihm über die zernarbte Wange. Dann lehnte sie wieder ihren Kopf an seine Schulter. »Ich freu' mich auf heute nacht, Irrkru.«
»Bringst du Wirrkon mit?«
Sie zögerte. Da war Sahir, die sie bitten konnte, auf ihn ebenso aufzupassen wie auf die kleine Ria...
»Nicht, wenn du es nicht möchtest«, sagte sie.
»Aber ich möchte ja, daß du ihn mitbringst. Bestimmt, ja?«
Sie nickte, verwundert, aber auch erfreut. »Gut! Ich werde ihn mitbringen. Sicher schläft er und stört uns nicht. Ich werde mit ihm dasein. Bei Mondaufgang in unserer Laubscheuer!«
»Mit Wirrkon bei Mondaufgang. Was auch immer geschieht?« fragte er drängend.
»Was auch immer geschieht«, bestätigte sie, plötzlich verunsichert von seiner feierlichen Dringlichkeit.
Und nun war er es, der nicht da war.
Unruhig ging sie auf und ab, wiegte Wirrkon im Schlaf. Wie kalt es war. Noch immer strenger Nachtfrost.
Sie trat in die Scheuer zurück, bettete Wirrkon ins Laub, das
hier für die Winterfütterung aufgeschüttet war, und deckte
ihn warm zu.
Dann strich sie sich die Haare glatt, schob die Halskette zurecht, zupfte an ihrem Kleid, ihrem Mantel und ihrem Schultertuch.
Die Herrin hatte es ihr erst vor wenigen Tagen geschenkt, und sie fand sich sehr schön darin.
Auch wenn es zu dunkel war, als daß Irrkru es sehen konnte.
Wo er nur blieb!
Er sollte endlich kommen, damit ihr mehr Zeit blieb, ihn glücklich zu machen!
Irrkrus Arme um ihre Schultern. Ihr Kopf an seiner Brust. Jetzt war sie daheim.
Er streichelte ihre Haare. Nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. Küßte ihre Augenlider.
Sie hielt ganz still.
Seine Hand spielte mit ihrem Ohr. Strich den Hals, den Nacken entlang.
Lykos–
Alles in ihr verkrampfte sich. Angst flutete durch ihren Körper, jagte ihren Herzschlag in die Höhe, sträubte die Härchen auf ihrer Haut.
Irrkru schob seine Hand in ihren Ausschnitt und faßte an
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