Die Göttin im Stein
Ruhe auf seinen geschlossenen Lidern. Und alles in ihr wurde warm und weich und gelöst.
Sie bettete seinen Kopf in das Laub, öffnete Irrkru Kittel und Gürtel und schmiegte sich an ihn. Er wollte sie umarmen, doch sie flüsterte ihm ins Ohr: »Nicht bewegen, lieg ganz still!«
Sie verlor jedes Gefühl für die Zeit, liebkoste ihn und fühlte, was er spürte. Sein Verlangen wurde ihres. Da kniete sie sich über ihn und nahm ihn auf.
Naki wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. würde sie es vergessen – das erste Mal, daß sie geliebt hatte.
Ihn hatte sie heilen wollen – und war selbst dabei geheilt worden. Endlich hatte ihr Körper Lykos vergessen. Er war ausgelöscht. Es gab nur Irrkru. Es würde nie einen anderen geben als Irrkru. Jede Stunde gehörte ihm, auch wenn sie nicht zusammen waren.
Bisher hatten sie sich nur am Tage getroffen, hatten immer und immer wieder die Laubscheuer zum Ort ihrer Seligkeit werden lassen. Heute nun sollte es die erste Nacht sein. Heute würde sie ihm sagen, wie glücklich sie war.
Doch er kam nicht.
Da war etwas nicht in Ordnung.
Nie würde er sie grundlos so warten lassen!
Sie biß auf den Knöchel ihres Zeigefingers.
Das Schwarzmoor?
Aber es mußte gefroren sein, der Frost war in diesem Herbst früh und heftig gekommen und hielt seit Tagen an, eisig wie im tiefsten Winter.
Selbst wenn Irrkru vom Pfad abkommen sollte – das Moor mußte ihn tragen.
Warum war er dann nicht da?
Wenn nun das Dorf von den Wolfskriegern –
Nein, das war unmöglich! Cythia hatte gesagt, Hairox hielte sich mit seinem Trupp in der Nähe des Rösoshofes auf
–
»Ist Cythia wieder bei euch am Hof?«
»Ja. Warum fragst du?«
Irrkru zuckte die Achseln. »Nur so.«
Sie schüttelte den Kopf. »Warum sagst du nicht offen, was du willst?«
Seine Augen irrten unruhig zur Seite. »Tut mir leid. Es ist nur – vielleicht hast du Cythia ja davon reden hören, wo Hairox sich mit den Wolfskriegern aufhält. Daire kann keine Nacht mehr schlafen, weißt du, seit der furchtbaren Sache mit Fior.
Jede Nacht fürchtet sie, die Wolfskrieger könnten in unser Dorf einfallen!«
»Arme Daire. Ich verstehe sie nur zu gut.«
»Weißt du etwas, womit ich sie beruhigen kann?«
»Ja. Cythia hat davon gesprochen, daß Hairox sich in der Nähe vom Hof des Rösos aufhalte. Das ist mehr als einen Tag weg von hier.«
»Das ist gut. Vielleicht schläft Daire auf diese Nachricht endlich einmal wieder.«
»Grüße sie von mir.«
Er nickte. Schien noch etwas sagen zu wollen. Doch dann nahm er ihr Wirrkon ab und kitzelte ihn auf der Brust.
Da war etwas. Etwas, das er ihr verschwieg.
Eben wollte sie ihn zur Rede stellen, da weinte Ria. Sie nahm die Kleine an die Brust.
Und Irrkru verabschiedete sich.
Naki verließ die Scheuer, strengte die Augen an, starrte über das dunkle Moor, horchte.
Der Hund am Lykoshof schlug kurz an und verstummte wieder. Sie lauschte weiter.
Unbestimmbar, schwach drang ein Laut vom Lykoshof zu ihr herüber.
Kurz zögerte sie, dann ging sie ein Stück auf den Hof zu. Eine Eule schrie.
Naki erschauerte: Jemand stirbt heute nacht.
Irrkru, wo bist du?
Nicht du, nicht du!
Flügelschlag dicht über ihr. Ein Luftzug strich an ihrer Wange vorbei. Und wieder das heisere Rufen der Eule: Duhu, duhu!
Naki rannte, bog um die Hecke.
Drohend lag der Hof vor ihr, die abweisenden Palisaden als tiefschwarzer Umriß vor dem dunklen Himmel.
Doch da – stieg da nicht eine Rauchwolke aus dem Hof auf?
Brandgeruch trieb ihr entgegen.
Feuer?!
Der Hund – warum bellte der Hund nicht.
Kein Schrei, kein Warnruf.
Heller leuchtete die Rauchwolke auf.
Und noch immer schien alles zu schlafen.
Sie keuchte.
Das Haus, in dem die Frauen schliefen.
Die kleine Ria –
Wenn Sahir nicht aufwachte, wenn sie eingeschlossen war, wenn sie –
Eine Flamme leckte gen Himmel
Naki stürmte dem Hof entgegen.
Das Tor, das der Knecht sorgfältig hinter ihr geschlossen und verriegelt hatte, stand weit geöffnet.
Sie stolperte, sah auf ihre Füße, ein toter Hund, Flammen loderten neben dem Wohnhaus, das aufgeschichtete Brennholz ging in Feuer auf, schon leckten die Flammen am Rieddach.
Kein Mensch zu sehen, kein Mensch zu hören, nur lauter und lauter die Gewalt des Feuers. Rot leuchtend der Hof.
Sie stieß die Tür zum Wohnhaus auf, noch schien es hier nicht zu brennen, doch beißender Rauch drang ihr entgegen, Rauch biß ihr in die Augen, verschlug ihr den Atem: »Feuer!« schrie sie,
Weitere Kostenlose Bücher