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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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bei der Nachtwache getrunken wurde.
    Noch mußte die Mischung wirken. Doch Moria wollte ganz sichergehen, daß sie den schlafenden Wächter nicht weckte.
    Nicht auszudenken, wenn bekannt würde, daß sie nachts den Hof verlassen hatte ...
    Vorsichtig drückte sie gegen das schwere Hoftor. Nacht für Nacht hatte sie gemeinsam mit Wai heimlich den Balken, der es von innen verrammelte, in die Höhe gewuchtet und im Hof abgelegt.
    Sie erwartete das verräterische Ächzen und Knarren, mit
    dem der angelehnte Torflügel nachgeben würde.
    Doch nichts bewegte sich. Sie warf sich gegen das Tor. Es stand unverrückt.
    Schweiß brach ihr aus, von einem Augenblick zum anderen begann ihr Herz zu rasen.
    »Wai«, flüsterte sie, ihre Stimme brach, »wir sind ausgesperrt, wie kann das sein ...«
    Gemeinsam stemmten sie sich mit aller Kraft gegen das eicherne Tor. Da, plötzlich, schwang es auf, beinahe wären sie gefallen. Sie stolperten, fingen sich – und standen Owros gegenüber, der ihnen mit einer Fackel ins Gesicht leuchtete.
    Das ist das Ende – er hat den Met nicht ausgetrunken –Owros wird es Lykos sagen – Göttin, hilf!
    Wai neben ihr schrie leise auf. Moria aber stand stumm, wie gelähmt.
    »Sieh an, die Herrin«, sagte Owros, und ein widerliches Grinsen verzog sein Gesicht. »Die Herrin schleicht sich bei Nacht aus dem Hof und im Morgengrauen zurück. Jaja! War der Herr wohl zu lange weg.« In seinen Augen glitzerte die Lust an ihrer verzweifelten Lage.
    »Was geht das dich an!« fuhr Wai den Hofvorsteher an. »Sie ist noch immer deine Herrin!«
    »Du sagst es!« erwiderte Owros und lachte boshaft. »Noch!«
    Dieses »Noch« war es, das Moria aus ihrer Erstarrung löste. Ihre Gedanken begannen zu jagen.
    Owros glaubt, ich käme von einem Liebhaber, ich seh' es an seinem Grinsen – Eine Frau, die der Untreue überführt wird, ist des Todes – Ich habe Dutzende von Zeugen, daß ich Lykos nicht betrogen habe – Doch was ich wirklich getan habe, ist in Lykos' Augen vielleicht nicht viel besser – Er wird sagen, ich habe die Himmlischen verraten, ihm den Gehorsam gekündigt und ihn bei den Bäuerinnen zum Gespött gemacht – Was wird er tun?
    Er wird mich bestrafen.
    Wär' es nur das!
    Er könnte mich töten. Oder verstoßen. Niemand wird ihn daran hindern.
    Er ist wieder mit einer Königstochter verlobt, dieser Langonia – dem König kann es nur recht sein, wenn ich aus dem Weg bin –
    Mein Vater – nein, der hilft mir nicht. Und mein Bruder auch nicht. Nicht bei einem Vergehen wie diesem.
    Aber es ist kein Vergehen, nicht in Wahrheit! Es sollte das Recht einer jeden Frau sein, der Gottheit zu danken, durch die sie aus Kindsnöten errettet wurde.
    Wenn ich es Lykos gegenüber vertrete, ihm erkläre, wie es kam und was es für mich bedeutet, wenn ich es aufrechne gegen das, was ich für ihn getan habe, gegen den Hof, den ich ihm gebaut habe –
    Doch wer sagt mir, daß er es versteht, daß er es hinnimmt –Ich glaube nicht, daß er mich umbringt. Das nicht. Nur, wenn ich ihm untreu wäre.
    Aber mich verstoßen – von Feuer und Wasser ausschließen – Auch die Bauern haben Feuer und Wasser –
    Zugrunde gehen werde ich nicht! Nicht ein Hof weit und breit, in dem man mir nicht dankbar ist. Die Bäuerinnen lassen mich nicht im Stich –
    Aber Ria – sie gehört ihm – er wird mir Ria wegnehmen –wie Naki den kleinen Wirrkon –
    Das darf nicht geschehen! Nicht Ria!
    »Seid Ihr vom Donner gerührt?! Nun kommt ruhig herein, noch geschieht Euch doch nichts«, sagte Owros hämisch, und mit hinterhältiger Betonung fügte er hinzu: »Herrin!« Er machte keinen Schritt zur Seite, beugte nicht wie sonst höflich vor ihr den Kopf. »Wie gut, daß der Herr in einigen Tagen zurückerwartet wird. Wie er es wohl aufnehmen wird, zu hören, wie seine tugendhafte Gemahlin die Nacht verbringt! Mir scheint, es kommen spannende Zeiten auf uns zu, hier auf dem Hof. Auf Euch besonders – Herrin!«
    Moria faßte nach Wais Hand. Wai drückte sie fest und flüsterte leise: »Nimm deinen Stein!«
    Mit der Rechten noch immer Wais Hand umklammernd, faßte sie mit der Linken in die Rocktasche, schloß die Finger um den Stein. Glatt, kühl und unerschütterlich.
    Da plötzlich wußte Moria, daß sie kämpfen mußte, kämpfen würde. Und sie wußte auch, wie.
    »Die Nacht?« wiederholte sie und lachte, warf den Kopf zurück.
    »Du meinst wohl die Nächte! Fast ein Dutzend! Und jedes Mal hattest du Wache zu halten, Owros – und hast

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