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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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weiter.
    »Naki, weißt du nicht mehr, wie du dich vor deinem Herrn zu benehmen hast!«
    Hart fuhr eine Hand in ihr Haar, riß ihren Kopf herum. Ein bärtiges, verzerrtes Gesicht, zornrot.
    Fremd sah sie es an: Was willst du. Ich kenne dich nicht.
    »Ich verbiete dir das! Bete nie wieder die Schwarze Göttin an! Mein Kind soll ohne deinen Zauber heranwachsen! Verstehst du!« Sie verstand jedes Wort. Und doch nichts.
    Er packte sie an den Schultern, rüttelte sie. Dennoch war sie noch immer weit weg.
    Der Mond. Kaum geboren, versinkt er wieder.
    Sie suchte ihn am Horizont. Der schmale, silberne Leuchtstreif neigte sich in den Schnee.
    »Naki! Auf die Knie vor deinem Herrn!« Die Stimme war schneidend scharf.
    Ihre Augen irrten über den Schnee. Die Spuren, er hat sie zertrampelt. Er hat die heiligen Zeichen zerstört. Ich muß sie neu ...
    Er drückte sie in den Schnee, auf die Knie, faßte sie gewaltsam am Kinn, zwang ihr Gesicht in die Höhe. »Du wirst nie wieder die Schwarze Göttin anrufen! Ich verbiete es dir! Hast du das verstanden! Kein schwarzer Zauber mehr!
    Schwöre, daß du mir gehorchen wirst! Schwöre!«
    »Nein!« sagte sie und merkte kaum, daß sie in seiner Sprache redete – die Spuren, ich muß sie neu machen, dieser Fremde, wer ist es, ach ja, der Pferdmensch, er hat so große Füße, viel zu große Füße, Füße und Hufe, Huffüße –
    Sie lachte schrill.
    Er schlug ihr ins Gesicht. »Hör auf zu lachen! Ich warne dich, Naki, ich warne dich!
    Sprich mir nach: Ich werde nie wieder die Schwarze Göttin anrufen! Sprich es!«
    »Nein!« Ihr Lachen überschlug sich.
    Er packte sie am Handgelenk, zog sie hoch, zog sie hinter sich her, zerrte sie durch den Schnee, zum Hof, zum Haus.
    Oskyl, Grofü, Pferdmenschhuf – sie lachte, lachte – Spurschnee, Mondheil, Eugödreiwassdoppelspi
    Er stieß sie ins Haus. Drinnen die Frauen und Kori wichen erschreckt vor ihm zurück. Und Irrkru, der Einzige, war nicht da.
    Sohnlieb, Traukeit, Erdsteinfreud, Himne, Steimel, Wiespendleb
    Lach! sagte laut eine Stimme, wer war es, nicht der Große Oheim, nicht Tante Mulai, da war keiner, der sprach, alle schwiegen, stumm vor Entsetzen, aber
Es
war da,
Es
redete und lachte, lachte: »Merkst du nicht, es ist verkehrte Welt, gleich schlägt er dich, der Pferdmensch, lach, Naki, lach, er wird dich an den Zaun binden lassen, die Ruten, dein Rücken zerfleischt, das schwarze Nichts, Wirrkon im Sand, der Vogel im Schnee, die Narbe in Irrkrus Gesicht, der Pfahl im Leib der Göttin, lach. Naki, lach, dein Blut wird fließen, du wirst dir wünschen tot zu sein, aber du kannst nicht sterben, du mußt heben, ewig leben, tanze, du sollst dich traurig freun!«
    Er riß ihr den Gürtel vom Leib.
    Schlätel, Gürge, Pfahltinleib
    Mit wenigen Schritten war er bei Kori, packte das Kind, schlug es, schlug das kleine Kind mit dem Gürtel.
    Da schrie es aus Naki, ihre Stimme gellte in die Höhe, als Blitz aus der Tiefe zuckte sie zum Himmel empor, bohrte sich in die Eingeweide des Universums.
    Dann war da nur noch Schwärze.
    »Ich habe das letzte Brot aus dem Ofen genommen, Herrin!«
    »Ist gut, Sahir!« Moria nickte der jungen Magd zu – der Vertrauten, die ihr der Vater von zu Hause hierher in die Fremde mitgegeben hatte – und befühlte die knusprig braunen, frisch gebackenen Brote. Dann ging sie zum niedrigen Ofen, berührte vorsichtig prüfend die heiße Lehmkuppel, kniete vor dem Feuerloch nieder, streute ein paar Getreidespelzen auf den gebrannten Lehmboden des Ofens und beobachtete, wie sie bräunten.
    »So ist es grad' richtig, nicht mehr zu heiß und noch nicht zu kalt«, sagte sie und seufzte: »Ich hoffe es wenigstens!«
    Die Mutter ließ keinen Kuchen in den Ofen schieben, ohne selbst zu prüfen, ob er genau die richtige Wärme habe. Die Mutter täuschte sich darin nie.
    Manchmal wäre es gut, zur Sicherheit die Mutter fragen zu können. Oder eine erfahrene ältere Frau wie Noedia.
    Moria runzelte die Stirn.
    Sahir füllte den Rest des Kuchenteiges in die letzte Birkenrindenform. Dann begann sie ganz selbstverständlich, die saure Sahne mit einem gelochten Holzlöffel zu schlagen.
    Es war gut, mit Sahir zusammenarbeiten zu können. Sahir mußte man nicht jeden Handgriff erklären wie den anderen Mägden. Auch Sahir hatte bei der Mutter gelernt.
    Moria rieb die Backsteine mit Schmalz ein, drückte in jeden Kuchenteig einen der glatten, vollkommen runden Steine und schob die Kuchenformen in den heißen Ofen. Dann stach sie

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