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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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zwischen zwei Steinen die Nüsse aufschlug.
    Sie wußte, Sahir war ihr bedingungslos ergeben. Mit Sahir müßte es möglich sein, darüber zu reden.
    Sie erstickte noch daran, wenn sie nicht darüber sprach.
    Dennoch drehte sie lang am Spieß das Rebhuhn über dem Feuer, ehe sie den Mut fand, die Worte auszusprechen.
    »Sag mal, Sahir«, sie bemühte sich ihrer Stimme einen beiläufigen Klang zu geben, »du hörst doch, was die anderen Mägde so reden, was hat das eigentlich mit Noedia auf sich? Wenn sie früher den Haushalt geführt hat – warum hat der Herr sie dann so zurückgesetzt?«
    »Ach«, Sahir blickte nicht auf, knackte die Nüsse auf einmal viel schneller, »ach, ich weiß nicht so genau ...«
    »Du weichst mir aus!« sagte Moria streng.
    Sahir schwieg. »Herrin«, sagte sie dann hastig, »der Kuchen, er riecht schon!«
    Moria stieß einen kleinen Schrei aus, stürzte zum Ofen, kniete nieder, nahm die hölzerne Schippe, langte in den Ofen hinein, holte einen Kuchen heraus, bernsteinfarben sah er aus, sie prüfte ihn rasch mit einem kleinen Holzspan, schob ihn auf das Brett, nahm auch die restlichen Kuchen aus dem Ofen. Ein Stoßgebet zur Herdmutter.
    Dann lächelte sie der Magd zu. »Danke, Sahir! Das war knapp!«
    Das Mädchen strahlte.
    Moria goß das Wasser ab, in dem sie die getrockneten Ackerbohnen eingeweicht hatte, und würzte die Bohnenkerne mit Leinöl, Himbeeressig, Salz und Kräutern. Im Topf rührend, wandte sie sich wieder zu Sahir um. »Aber du hast mir noch immer nicht geantwortet: Was ist mit Noedia vorgefallen?«
    Sahir erhob sich, ging zum Feuer und übernahm das Drehen des Spießes. »Ach Herrin, warum fragt Ihr«, sagte sie leise. »Weil ich es wissen muß!«
    »Es war an dem Tag, an dem die Fremde weggelaufen war, diese Naki, die Nebenfrau des Herrn«, begann Sahir stockend.
    Schweig, Sahir! Von dieser Naki will ich nichts hören!
    »Der Herr, er hatte sie immer gefesselt, aber an dem Tag hatte er sie losgebunden, Noedia, sie hatte den Herrn vor der Fremden gewarnt, beschworen hatte sie ihn, sie vom Hof zu jagen oder sogar zu töten, aber der Herr hatte Noedia den Mund verboten, und dann, an dem Tag, die Fremde war allein am Mahlstein, und der Herr hatte doch ihre Fesseln gelöst, da ist sie weggelaufen ...«
    Warum habe ich gefragt?
    Naki, die Fremde.
    Lykos' Nebenfrau.
    »Und Noedia, als sie dem Herrn mitgeteilt hat, daß Naki geflohen war – Herrin, ich hab' ja auch nur gehört, was die anderen erzählt haben, daß Noedia es dem Herrn gegenüber an Ehrerbietung hat fehlen lassen, und da hat er sie so zurückgesetzt ...«
    Moria starrte Sahir an. »Das glaube ich nicht«, flüsterte sie.
    »Doch, Herrin! So sagen die Mägde. Allerdings – manche sagen auch, der wahre Grund war, daß Noedia gezeigt hat, daß sie froh darüber war, als Naki weggelaufen war.«
    Der Löffel entglitt Morias Händen.
    Um dieser Naki willen also hatte Lykos seine eigene Stiefmutter, die Mutter seines Bruders, so erniedrigt.
    Mit solcher Härte gestraft – um nichts, als daß sie gegen Naki war.
    So sehr liebt er diese Naki
    Moria drehte sich um, ging hinaus, ging über den Hof, zum Tor hinaus, stapfte mit leichten Ledersandalen durch den Neuschnee, merkte die Kälte nicht.
    In tiefstem Violett klang der Himmel nach von einem prachtvollen Sonnenuntergang. Schmal und zart schwebte die hauchfeine Sichel des Neumondlichtes über dem Horizont.
    Sie beachtete es nicht.
    Naki, die Fremde.
    Lykos' Nebenfrau – Lykos' Geliebte.
    Was hatte diese gewöhnliche Bauerntochter aus dem Westen, diese unterworfene Sklavin eines besiegten Volkes, diese zügel- und sittenlose Hure, das sie, Moria, sorgfältig erzogene Tochter des erhabenen Rösos, nicht hatte?
    Waren es die blonden Haare, die Lykos verhext hatten?
    Waren es Zauberkünste, mit denen die Fremde ihn verwirrte?
    Wie Lykos sie selbst damals beim Gastmahl ihres Vaters angesehen hatte, wie er mit den Augen jeder ihrer Bewegungen gefolgt war, wie er voller Rücksicht die Wunden auf seiner Brust vor ihr verborgen hatte, wie er den König gebeten hatte, für ihn um ihre Hand anzuhalten, als Belohnung, wenn er Erfolg habe auf dem Kriegszug ...
    Sie hatte er geliebt, sie hatte er haben wollen, nur sie.
    Doch wenige Tage später hatte er diese Fremde in sein Bett geholt. Die ganze Zeit der Brautwerbung über, während sie selbst auf ihn gewartet, sich für ihn bereitet hatte, hatte er die Nächte mit dieser Hure verbracht ...
    Aber sie, Tochter des Rösos, liebte er

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