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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Zeit.«
    Ein feines Kribbeln lief über Morias Rücken und Arme und sammelte sich in ihrer Körpermitte. »Was hast du getan, Mutter?«
    Die Röte im Gesicht der Mutter vertiefte sich. »Nichts, was ich bereuen mü ßte!« Die Mutter zog sie in den Nebenraum, schloß sorgfältig die Tür hinter sich. »Komm, setz dich zu mir, Moria. Ich will es dir verraten. Aber behalte es für dich, sprich nicht darüber, niemals, es sei denn einst mit deiner erwachsenen Tochter, wenn sie aus dem Haus geht. Versprich es mir! Schwör es!«
    Benommen nickte sie.
    Die Mutter sah sich noch einmal um, vergewisserte sich, daß sie allein waren. Dann begann sie flüsternd: »Die Knoten sind ein mächtiger Zauber. Sie binden die Wünsche. Gute und böse. Was du in Knoten bindest, wird sich erfüllen. Tu es nur im geheimen und nie ohne Not!
    Und so mußt du es machen: Was du wünschst, dir oder anderen, das stell dir fest vor, während du die Knoten in eine Schnur bindest.
    Dann leg die Schnur unter das Kissen, dein Kissen, wenn es Wünsche für dich sind, oder das Kissen des anderen Menschen, dem deine Wünsche gelten. Eine Nacht drüber schlafen, dann am Morgen die Knoten verbrennen!
    Und was du in Knoten gebunden hast, wird eintreten. Es ist ein gewaltiger Zauber – ob Segen, ob Fluch!«
    Sie konnte es nicht fassen. »Ein Zauber?« stammelte sie. »Und du hast mich damit behext! Meine eigene Mutter!«
    »Leise, Kind, leise! Nur zu deinem Besten, ich wünsche doch meiner Tochter nur Gutes!
    Der erste Knoten: Viele Kinder, fast jedes Jahr eines, vor allem Söhne, starke, große und gesunde Söhne.
    Der zweite Knoten: Glück und Geschick bei der Haushaltsführung, wohlgefüllte Speicher, fleißige Mägde, immer ein Gastmahl zur rechten Zeit bereit.«
    Die Mutter stockte.
    »Und der dritte Knoten«, fragte Moria heiser, »was wünscht mir der dritte Knoten?«
    Die Augen der Mutter irrten zur Seite. »Daß Lykos ein gerechter und freundlicher Eheherr ist.«
    Die Mutter griff nach ihren Händen, drückte sie. »Aber wenn du selbst den Zauber anwendest, dann achte darauf, daß niemand es merkt, keiner, am allerwenigsten dein Mann! Hörst du, Moria, sei um des Himmels willen vorsichtig damit! Lege nie deinem Mann Knoten unter sein Kissen! Es sei denn, du wärst so verzweifelt, daß du .. .
    Ach Kind, du wärst hoffnungslos verloren, wenn er es erführe, Lykos würde dich verstoßen, von Feuer und Wasser ausschließen, und keiner könnte dir helfen, niemand würde dich aufnehmen, auch nicht dein Vater!«
    Der Zauber.
    Wenn nichts mehr hilft, wenn Lykos nie aufhört, diese Naki mehr zu lieben als mich, dann bleibt als Rettung nur noch der Zauber –
    Moria rannte. Ihre Zähne schlugen mit leisem Klappern aufeinander.
    Nur im äußersten Notfall – er würde dich verstoßen – von Feuer und Wasser ausschließen – keiner könnte dir helfen –Ich tu' es nicht, ich tu' es nicht, ich tu' es nicht.
    Sie stieß die Tür zum Haus auf.
    Der Backofen strömte noch immer Hitze aus. Moria wärmte Hände und Füße an der warmen Lehmkuppel. Endlich ließ das Zittern nach.
    Naki.
    Der Tag, an dem sie beim Kleiderbürsten zum ersten Mal die blonden Frauenhaare auf Lykos' schwarzem Kittel bemerkt hatte, die Mägde zur Rede gestellt hatte, lange hatte kämpfen müssen, ehe sie die Wahrheit erfahren hatte – und gewünscht hatte, sie hätte nie gefragt ...
    Denk an das Essen! An nichts anderes!
    Sie prüfte den im Tontopf schmurgelnden Lammbraten –nicht mehr lang, und er wäre gar. Dann begann sie vorsichtig die Backsteine aus den Kuchen zu heben und die Kuchen aus ihren Birkenrindenformen zu lösen.
    Der erste Kuchen zerbrach. Den mußte sie den Mägden geben.
    Sie holte tief Luft, zwang sich mühsam zur Ruhe.
    Vergiß alles. Nur auf den Kuchen kommt es an.
    Den nächsten brachte sie heil aus der Form, auch die letzten.
    Sorgfältig strich sie den Beerenschmant in die Höhlungen der Kuchen, verzierte sie liebevoll mit einem Muster aus gekochten Moosbeeren.
    Ob Lykos bemerkte, wie hübsch das aussah? Ob er begriff, daß sie das nur für ihn tat? Und daß er lange suchen mußte, um eine andere zu finden, die das so gut verstand wie sie?
    Wenn Gäste da wären, würden sie bestimmt diese Kuchen bewundern. Und Lykos würde sich freuen, daß man seine Gastfreundschaft lobte.
    Lykos hatte einen Hirsch erlegt. Zwei Tage hatte sie das Fleisch schon in Buttermilch eingelegt, am nächsten Tag wollte sie den Braten mit geräuchertem Schweinespeck und Wacholderbeeren

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