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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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das Boot unverletzt erreichen.
    Er schlüpfte in die winzige Kabine hinein und ließ den Motor an. Die Schraube wühlte das trübe Wasser des Flusses mächtig auf und trieb das Boot voran.
    Tallow duckte sich, als noch einmal eine Kugel an ihm vorbeipfiff. Einige Soldaten rannten zu zwei größeren Booten, die nebeneinander festgemacht waren. Tallow fuhr schneller und ließ rasch die Kaianlage hinter sich, wobei er die ganze Zeit vor Erleichterung wie verrückt lachte.
    Auf dem Kai rannten die Leute weiter, liefen jetzt zum anderen Ende, wo die erste Unruhe entstanden war. Es war, als seien sie Teilnehmer an einer makabren Hasenjagd, bei der sie eine Spur blutiger Körper hinter sich zurückließen. Eine kleinere Gruppe, die stehengeblieben war und Tallow nachgestarrt hatte, während die größere Menge die Flucht ergriff, versäumte es auszuweichen. Die Menge erreichte sie und riß sie mit sich. Zwei Mitglieder der Gruppe fielen tot zu Boden, als wieder Kugeln pfiffen und die Flüchtenden in panischer Angst aufheulten. Einige von ihnen erstiegen jetzt den Zaun, wurden aber zum Teil von Geschossen heruntergeholt. Ihre Körper hingen wie schmutzige Wäsche über dem Zaun. Dann blieb die Menge stehen und sah die Soldaten voller Furcht an.
    Der Hauptmann schrie wieder: »Stehenbleiben, jetzt! Wir
wollen alle überprüfen! Wenn ihr unschuldig seid, habt ihr
nichts zu befürchten!«
Die Menge ergab sich eingeschüchtert.
    Der Hauptmann ging mit zwei Leutnants an den Leuten vorbei und überprüfte jedes Gesicht.
    Einer der Soldaten rief dem Hauptmann zu: »Sir, schauen Sie, er hatte recht!«
    Er hatte einen dunklen Umhang von einem alten Mann in blauem Gewand fortgezogen. Von einem weißhaarigen Mann, dessen Augen starr blickten, von einem Mann mit bleichem Gesicht, dessen Haut Baumrinde glich, über die Blut rann, hundert kleine Bäche, vom Kopf, aus dem Mund und aus zwei Wunden am Körper.
    »Das ist ganz bestimmt Mesmers, Sir. Ich sah ihn ein paarmal auf dem Marktplatz predigen. Wir haben ihn endlich erwischt, Sir.«
    »Ja«, lächelte der Hauptmann sein Haifischgrinsen. »Das ist
er. Unser kleiner Freund hat also nicht gelogen. Lebt der Predi
ger noch?«
»Ja, Sir, ich glaube schon.«
    Ein Leutnant beugte sich zu dem alten Mann hinab, dessen Augen blinzelten.
    »Ich glaube … ich handelte falsch«, sagte Mesmers mit schwacher Stimme. »Ich hätte ihn nicht … wieder … aufbauen sollen. Ich … wußte … daß … er mich … zerstören würde.«
    »Wovon redet er?«
    »Weiß ich nicht. Wahrscheinlich von dieser kleinen Ratte,
    Sir. Diese Leute sind sich alle gleich. Sie verraten sich gegenseitig, um ihre eigene Haut zu retten. Ich schätze, daß der kleine Mann der rothaarige Zwerg war, der Mesmers in den letzten Wochen ein paarmal gerettet hat. Komische Sache das, ihn retten und ihn dann töten lassen.«
    Sie starrten zu Mesmers hinab. Der Prediger starrte aus glasigen, seelenlosen Augen zurück. Mesmers war tot.
    »Was für eine teuflische Sache!« murmelte der Leutnant und blickte den Fluß hinab. Tallows Boot war verschwunden, und die beiden größeren Boote nahmen die Verfolgung auf. »Was für eine teuflische Sache!«
    »Kommen Sie, Leutnant«, sagte der Hauptmann ungeduldig. »Schaffen wir die Leiche ins Hauptquartier. Da sollte doch für uns alle eine Kleinigkeit herausspringen. Jetzt werden Sie in der Lage sein, Ihrem Mädchen den Ring zu kaufen, den es sich wünscht.«
    Der junge Leutnant lächelte und war sofort wieder fröhlich. »Das werde ich tun, Sir«, sagte er. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.«
    Zwei Wächter hoben Mesmers’ Leichnam auf und warfen ihn auf einen Karren. Der junge Leutnant blickte noch einmal den Fluß hinab. »Merkwürdig das …«, sagte er vor sich hin und folgte dem Hauptmann.
    Inzwischen vergrößerte sich der Vorsprung Tallows, der von Mesmers’ Tod nichts ahnte, vor den ihn verfolgenden Booten. Tallow blickte glücklich nach vorn und hoffte, einen Schimmer der Barke zu entdecken.

    Elftes Kapitel

    M iranda gefiel das Aussehen des Kapitäns nicht, doch
    blieb ihr keine andere Wahl, denn sein Schiff war
               das einzige weit und breit. Sie setzte ihre Tasche neben die Füße und blickte zu ihm hinauf. Seine Augen glitten über ihren Körper und wichen den ihren ein paar Sekunden aus. Sie zog einen Schmollmund. »Wie weit fahren Sie den Fluß hinab?« fragte sie.
    »Wie weit?« Er rieb sich mit einer Hand das stachlige Kinn und kratzte sich mit der

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