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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Ich zurückgezogen. Um ihn herum bewegten sich die Leute und redeten, waren finster, lachten. Aber er hatte sich von ihnen gelöst, wie ein Mann, der sich einen Film ansieht. Tallow konnte nicht glauben, daß er ein Teil von alldem war, und wurde langsam ungeduldig. Ihm fehlten noch immer die Mittel, seine Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen, und so konzentrierte er sich darauf, die geeigneten Umstände abzuwarten. Zhist sprach jetzt nur noch mit ihm, suchte ihn nur noch auf, wenn es unbedingt erforderlich war. Zhist fand keinen Zugang mehr zu ihm, und selbst Miranda wurde es langsam unbehaglich zumute. Sie bemühte sich, fröhlich zu sein, suchte sich einzureden, daß alles nach Wunsch ginge. Aber es war schwierig, mit einem Tallow umzugehen, dessen Augen leer blickten, der kaum sprach, mit einem Tallow, der wie ein Automat liebte und ihr nachts nichtssagende Koseworte ins Ohr flüsterte. »Bist du zufrieden?« fragte sie.
    »Ja, natürlich«, antwortete Tallow und fragte sich, ob er je
    aus den Fallen freikommen würde, die er sich selbst stellte.
»Wird es ein Junge oder ein Mädchen werden?« fuhr sie fort,
und die Fröhlichkeit in ihrer Stimme wurde von nervöser Unsi
cherheit gestreift.
»Junge oder Mädchen. Schön.«
»Ein Junge?«
    »Ein Junge. Schön.« Tallow wußte, daß der Krieg mit Hyriom nicht mehr lange hinausgezögert werden konnte. Höchstens noch ein oder zwei Wochen. Er hörte wieder Mirandas Stimme. »… nennen wir ihn …« »Wie wir ihn nennen?« »Ja, welchen Namen geben wir dem Jungen?«
    »Nenn ihn den Verfluchten«, sagte Tallow in dumpfem Zorn. »Nenn ihn so, wenn er seines Vaters Sohn ist. Nenn ihn den Verfluchten und laß ihn in seines Vaters Fußstapfen treten.« Er lief aus dem Zimmer. Miranda blieb mit weit aufgerissenen Augen zurück, und aus den grünen Tiefen stiegen Tränen empor.
    Sie machte keinen Versuch, ihm zu folgen. Sie blieb im Zimmer stehen, ließ die Arme schlaff herabhängen, war verletzt und voller Sorgen, und ihre selbstgesponnenen Träume fielen in sich zusammen, während sie gegen den Wahnsinn ankämpfte, der doch, wie sie wußte, unausweichlich war. Der Wahnsinn, der schließlich über sie kommen mußte, auf den sie warten mußte, gegen den sie sich nicht mehr wehren konnte. Sie hatte keine Waffen mehr.
    Tallow wanderte durch die aufgeregten Straßen von Rimsho. Die Stadt bereitete sich auf den Krieg vor. Er wußte, daß ein bestimmtes Gasthaus am Rand der Stadt das Hauptquartier umstürzlerischer Politiker war. Diese Information hatte ihn in seiner Eigenschaft als Sekretär Zhists erreicht, und er hatte sie nicht weitergegeben, da die Männer, die Zhists Sturz betrieben, ganz gleich, aus welchen Gründen, ihn, Tallow, vielleicht mit
    seinen Plänen weiterbringen konnten.
      Es war jetzt unmöglich, einfach aus der Stadt zu fliehen, wie er früher aus anderen Städten geflohen war. Er hätte es nicht tun können. Er brauchte einen Grund, die Stadt zu verlassen, etwas, das er, abgesehen von der Notwendigkeit, der Barke zu folgen, noch nie gespürt hatte. Er tat sein Bestes, einen Grund zu erfinden. Er wußte das irgendwie, wagte aber nicht, nach dem Warum zu fragen. Hätte er es getan, wäre mit neuer Unentschlossenheit zu rechnen gewesen. Welche Kraft Tallow auch antrieb, sie lag wenigstens außerhalb seiner Macht, und er hielt unerschütterlich an einer Entscheidung fest, die Verhängnis und finsteren Verrat mit sich bringen würde. Er wußte sich nicht zu helfen. Er sah jetzt ein, daß er es immer schon gewußt hatte. Es war zu spät, noch etwas zu ändern, zu spät, etwas zu unternehmen. Er konnte nur dem Weg folgen, den er gewählt hatte, denn wenn er jetzt von ihm abwich, bedeutete das kicherndes, brüllendes Chaos, und dagegen mußte er ankämpfen, wenn ihm diese Barke das Wissen bringen sollte, nach dem er sich sehnte. Duldsamkeit gehörte nicht mehr zu seinen Charaktereigenschaften. Man hatte seine Pläne nicht tolerieren wollen, daraus lernte er, daß Toleranz den meisten Menschen fremd war und daß man ihre Intoleranz nur mit der gleichen Waffe bekämpfen konnte. Tallow ließ den Entschluß, zu leben und leben zu lassen, fallen und entschied sich in tiefem Zorn, es jenen heimzuzahlen, die ihn zu der Entscheidung gedrängt hatten. Er wollte es ihnen mit einer Probe ihrer eigenen Philosophie heimzahlen. Seine Gedanken verwirrten sich, sein Körper gehorchte träge den Befehlen seines chaotischen Gehirns, und er lief verbissen auf das Gasthaus zu. Er

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