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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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schmerzlich.
»Ich werde Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Werden Sie
mich töten oder am Leben lassen?«
»Was ziehen Sie vor?«
    »Ich glaube, ich möchte lieber weiterleben. Ich hätte gern etwas Zeit, um über unser Gespräch nachzudenken, über die Ereignisse, die zu ihm führten. Ich fürchte mich aber nicht vor dem Tod«, schloß er trotzig.
    »Ich werde versuchen, dafür zu sorgen, daß man Sie in die Verbannung schickt«, versprach Tallow aufrichtigen Herzens. »Wenn Sie wollen, können Sie mich auch einsperren. Es wird mir nichts ausmachen.« »Wir werden sehen.«
    Drei Soldaten platzten in den Raum. Sie trugen Gewehre. Es waren Meuterer. Tallow sagte rasch: »Der Oberst ist mein
    Gefangener. Schafft ihn in eine Zelle! Daß ihm aber dabei
nichts zustößt!«
Die drei Männer sahen sich an.
    »Tut, was ich euch sage!« stieß Tallow scharf hervor. »Im Augenblick habe ich hier die Befehlsgewalt. Ihr verliert nichts, wenn ihr ihn einsperrt.«
    »Die Leute wollen sein Blut, Mr. Tallow. Sie wollen ihn lynchen.«
    »Was werden sie damit erreichen? Sie haben seit der Revolu
tion so viele Menschen gelyncht.«
»Sie wollen ihn haben, Sir.«
    Tallow wandte sich um und sah Zhist an. Der Oberst zuckte wieder die Schultern. Tallow sagte: »Na schön. Sollen sie ihn haben.« Er sah Zhist nicht noch einmal in die Augen. Er steckte die Pistole zurück in das Halfter, und die drei Soldaten packten Zhist und trieben ihn aus dem Raum. Als der Oberst ging, war er immer noch voller geschmeidiger animalischer Lebenskraft. Er sprach kein Wort mehr mit Tallow, und wenn sein Geist vielleicht die Lage auch schon akzeptiert hatte, sein Körper hatte das noch nicht getan. Er steckte noch voller Energie, voller Kraft. Tallow wurde kurz vom Kummer gestreift, und dann verschwanden die Männer, und er schloß hinter ihnen die große Tür. Er ging an ein Fenster. Der Mob kochte, eine graue, unvernünftige Masse Protoplasma, die von einem einzigen Gedanken beherrscht war – Zhist zu töten. Largek und seine Leute hatten gute Arbeit geleistet. Tallow hätte nie gedacht, daß sie die Menge durch Reden so sehr aufstacheln könnten. Jetzt war es an Tallow aufzuseufzen. Er war erschöpft, da ihm Zhists Vitalität fehlte. Miranda kam in den Raum. Sie raste vor Wut.
    »Was hast du getan?« zischte sie. »Was hast du jetzt getan, Jephraim? Du vergiltst Zhist alles mit Verrat? Ich dachte, du hättest dich geändert. Und jetzt das!« Ihr Gesicht war in der Wut abstoßend. Die Stimme war hysterisch, und der ganze Körper verkrümmte sich in einer Wut, für die sie keine Worte fand. Sie holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Sie schlug weiter zu, aber er spürte es kaum. Er stand einfach da und blickte aus dem Fenster, bis sie schließlich aufhörte. Sie folgte seinem Blick. Der Mob hatte sich auf Zhist gestürzt. Man hatte ihm fast alle Kleidungsstücke vom Leib gerissen, und er stand in zerfetzter Unterwäsche da, die nicht zu den Stiefeln passen wollte. Er blutete, war aber noch bei Bewußtsein. Man warf ein Seil über einen Wasserspeier, der aus der Wand ragte. Eine Schlinge.
    »Nein!« schrie Miranda. »Nein! Das können sie nicht tun!«
    Tallow lachte, auf unangenehme, humorlose Art. »Sie tun es
aber«, sagte er.
»Warum läßt du es zu?«
»Mir blieb keine andere Wahl.«
    Man hatte Zhist jetzt die Schlinge um den Hals gelegt. Männer zogen am anderen Ende des Seiles und hievten die schwankende Gestalt in die Höhe. Der Körper wand sich viele Sekunden lang, und dann schlugen die Stiefelabsätze in einem militärischen Gruß dreimal zusammen. Zhist sagte Lebewohl und starb. Zuckend hing er dort, das Gesicht war verzerrt, entstellt durch das würgende Seil, der Körper war steif, bis zum Ende soldatisch. Miranda fing an zu schluchzen.
    Tallow wäre es lieber gewesen, wenn er sich von Miranda hätte trennen können, bevor seine Pläne in die Tat umgesetzt wurden. Dazu war es jetzt zu spät. Er bemerkte, daß sie dicker geworden war, daß ihr Leib anscheinend an Umfang zugenommen hatte. Zum ersten Mal begriff er voll und ganz, daß sie schwanger war, mit seinem Kind. Das Kind unserer Liebe, dachte er zynisch und bitter zugleich. Was soll ich tun? Plötzlich bedauerte er, was er gemacht hatte. Er bedauerte es, ja. Dann sprach wieder Miranda.
    »Du tust mir leid, Jephraim Tallow«, schluchzte sie. »Du tust
    mir leid, und ich hasse dich.«
    »Liebling, du darfst mich nicht hassen«, sagte Tallow zärtlich. »Im Augenblick brauche ich dein Mitleid

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