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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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beschlossen, mir zu helfen. Hat Sie Ihre Liebe zu mir zu dieser Entscheidung gebracht?«
    »Nein – ach, ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat. Ich bin kein schlechter Mensch, Tallow. Ich habe diesen Verrat nicht verdient.«
    »Ich stimme Ihnen zu, daß Sie kein schlechter Mensch sind, Zhist. Aber Sie haben das hier verdient und noch viel mehr. Ich glaube, Sie oder Miranda sagten, ich betrachte die Leute als ›sie‹ und nicht als ›wir‹. Ich denke, ich habe Ihnen zugestimmt. Jetzt stimme ich Ihnen nicht mehr unbedingt zu. Ich glaube, ich gehöre mehr zu dem ›wir‹ als Sie oder irgend jemand, der mir das vorwarf. Ich bin ›wir‹, weil ich daran nicht denke. Ich bin ›wir‹, weil ich nicht versuche, jemandem zu helfen. Ich bin sicherlich ein Individuum. So wie jeder, der in der ›Masse‹ enthalten ist, ein Individuum darstellt, bis er von den Politikern und den Mystikern und den Weltverbesserern bearbeitet wird. Sie sind Individuen, weil sie nicht stehenbleiben und denken: ›Ich bin ein Individuum.‹ Suchen Sie mir jedoch einen Menschen, der zugibt, einer der ›Masse‹ zu sein. Wenn Sie ihn finden, Oberst, werde ich vielleicht einräumen, daß Sie ein klein wenig recht haben, und zwar weil Sie die Fähigkeit besitzen, den Geist eines Menschen umzugestalten. Oberst, ich glaube, ich hasse Sie auf meine Art, nicht, weil Sie etwas Bestimmtes sind, sondern weil Sie für etwas stehen.«
    »Tallow, auch Sie haben nicht recht. Sie wissen, daß Sie un
    recht haben.« Zhist war über seinem Schreibtisch zusammengebrochen. Der Mob strömte jetzt über den Platz draußen und war durch die Tore gekommen. »Kann sein, aber ich glaube das nicht, Oberst.«
    »Tallow, Sie vergessen Ihre Pflichten. Ich räume ein, daß Sie vielleicht keine Rechte haben, aber Sie haben Pflichten, und diese Pflichten müßten schließlich zu Rechten führen. Diese fangen wahrscheinlich als Pflichten an und werden schließlich zu Rechten. Sie haben Ihren Mitmenschen gegenüber Pflichten. Sie haben Verantwortung. Mit Ihrer Philosophie der Nichteinmischung schaden Sie vielleicht zahllosen Menschen. Wenn Sie statt dessen versuchen, denen zu helfen, tun Sie ihnen nicht so weh. Ich glaube, ich bin kein so großer Schurke wie Sie, Tallow.«
    »Aber wo soll das enden, Oberst? Wo liegt die Grenze zwischen der Hilfe für die wenigen und der Hilfe für die vielen? Wo hören Sie auf, Ihre ›Pflichten‹ zu erkennen, und wo fangen Sie an, neue aufzubürden? Wo endet es?«
    Zhist stieß einen tiefen Seufzer aus. Er sagte: »Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht liegt darin das ganze Problem des Lebens und der Philosophie. ›Wo endet es?‹ Ich glaube, wir beide sind Extremisten, Tallow. Wir haben verschiedene Richtungen eingeschlagen, und beide sind richtig, bis zu einem gewissen Punkt. Extreme sind gefährlich, und Extremisten sind unglückliche Menschen. Sind wir nicht unglücklich, Tallow? Aber gibt es denn eine Richtung, die stimmt und die uns nicht zu weit führt, oder gibt es so viele Richtungen, daß wir uns nicht entscheiden können? Es gibt so viele Richtungen, Tallow.«
    »Das stimmt«, pflichtete ihm Tallow bei, »aber ich habe die wahre gefunden.« Seine Stimme stockte, und er wehrte die nagenden Zweifel ab, die wieder einmal seinen Geist überschwemmten.
    »Aber wir können diese kleine Wendung im Lauf der Erei
    gnisse jetzt nicht ungeschehen machen, Oberst«, fuhr er rasch fort. »Vielleicht würde ich es gern tun, vielleicht auch nicht, aber ich habe die Richtung bestimmt, ich habe die Wendung herbeigeführt. Ich muß das Ganze zu einem Ende bringen. Das begreifen Sie doch?«
    »Ich begreife es. Das gleiche gilt auch für mich. Wenn ich Sie nicht gezwungen hätte – und ich glaube, ich habe Sie gezwungen, mit mir zu ziehen –, wäre ich nicht von Ihnen verraten worden. Wir alle setzen ein Rad in Bewegung, Tallow. Wir versetzen es in Drehung und müssen uns, solange wir leben, mit ihm drehen. Ich werde Fatalist, mein Freund, und Sie sind, glaube ich, auch einer.«
    »Möglich.« Tallow lächelte boshaft. »Aber an diesem Wendepunkt bin ich der Gewinner, und ich will es bleiben, solange ich kann.« Während des Sprechens bedauerte er schon die Kleinlichkeit der Worte, aber dann tat er etwas, das noch kleinlicher war. Er hatte sich jetzt in der Sache verfangen. Er zog seinen Revolver aus dem Halfter und zielte auf den Oberst. »Sie sind mein Gefangener, Oberst.«
    Zhist zuckte die Schultern. »Bitte.« Er lächelte

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