Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
Vom Netzwerk:
Schicksale. abgesehen von der Truhe mit Frauenkleidern.
    Je weiter er nach achtern vordrang, desto dunkler wurde es. Er trat auf ein Hindernis, das raschelnd nachgab. Als er sich danach bückte, sah er, dass er die Überreste getrockneter Blüten in Händen hielt. Er zerrieb sie zwischen den Fingern zu Staub.
    Waren es Blumen, die einst Karens sterbliche Hülle geziert hatten? Er war fast sicher, dass er in all den Kisten Andenken an Nigomirs leidenschaftlich geliebte Stiefschwester finden würde - und in den Fässern Öle, mit denen sie ihrer jugendlichen Haut zu blühender Frische und zu verführerischem Duft verholfen hatte.
    Mythor prallte auf einmal zurück. Nichtsahnend war er hinter einen Stapel von in Segeltuch verpackten Ballen getreten - und stand plötzlich vor einem metallenen Sarg.
    Er war von schlichter Form, nicht einmal der Deckel wies eine Verzierung auf. Er war glatt und kalt. Mythor zog die Finger sofort zurück, die er über die ebene Fläche gleiten ließ, denn er hatte das Gefühl, daran haftenzubleiben.
    Er kannte das Metall nicht, aus dem der Schrein gefertigt war. Er wusste nur, dass es weder Gold noch Silber war und natürlich auch nicht Schmiedeeisen. Und doch wirkte er kostbarer, als bestünde er aus Edelsteinen.
    Mythor zögerte. Er hätte gerne gewusst, was dieser Schrein barg, obwohl er es ahnte. Er zögerte nicht, weil er den zu erwartenden Anblick fürchtete. Er hatte bloß eine Scheu davor, an etwas zu rühren, das Nigomir heilig war. Durfte er sich erdreisten, das Andenken des Verdammten zu entehren?
    Doch was konnten ihm Aberglaube und übertriebene Rührseligkeit bedeuten! Hier ging es um Zauberei. Und wenn es Karens unseliger, von einem Dämon besessener Geist war, der die Goldene Galeere in Bann hielt, durfte er auch nicht zögern, dem Spuk ein Ende zu machen.
    Es musste sein! Er packte den Sargdeckel an beiden Seiten am unteren Abschluss. Das Metall war erstaunlich leicht - aber diese Kälte! Mythor meinte schon bei der ersten festeren Berührung, die Finger würden ihm abfrieren. Aber er biss die Zähne zusammen und schob den Deckel am Kopfende zur Seite. Er nahm es als gegeben an, dass die Kopfseite in Fahrtrichtung stand.
    Und Mythor hatte richtig geraten. Aber - bei God! - aus dem Sarg blickte ihm kein Frauenantlitz entgegen. Er blickte in das obsidianstarre Maskengesicht eines Caer-Priesters.
    »God!« entfuhr es Mythor fassungslos. Es war zum zweitenmal, dass er die tainnianische Gottheit anrief, obwohl er nicht an sie glaubte; es war wohl auch mehr ein Ausdruck seiner grenzenlosen Überraschung, in dem Schrein, der als letzte Ruhestätte für eine eisländische Prinzessin gedacht war, einen
    Dämonenpriester der Caer vorzufinden. Und dazu noch einen, den er kannte: Drundyr! Es war unverkennbar der Caer- Priester, dem er sein Leben und die Gefangenschaft auf der Durduune verdank - und dessen dämonischen Fängen er entkommen zu sein glaubte, Drundyr, der beim Angriff des Vallsaven über Bord gegangen war und den Mythor auf dem Grund des leeres oder im Bauch des Ungeheuers wähnte.
    Aber war er nicht trotzdem tot? Seine magere, wie ausgedörrt wirkende Gestalt, von der nur die Hände und das Gesicht aus dem Magiergewand ragten, schien blutleer und leblos zu sein. Etwas an ihm war jedoch, was Mythor dazu gemahnte, kein voreiliges Urteil zu fällen. Es war etwas Ungreifbares, eine Ausstrahlung, die Mythor nicht zu deuten wusste.
    Vielleicht war der Körper dieses Magier-Priesters tot. Aber etwas in ihm lebte. Der Dämon in ihm! Dieses unheilige Leben, diese Macht aus der Schattenzone, musste Mythor auslöschen. Er wusste nicht, wie man Dämonen bezwang, aber es genügte auch, wenn er den Körper, diesen Nistplatz des Dämons, über Bord warf. Auch dann wäre die Goldene Galeere von seinem Bann erlöst.
    Es kostete Mythor einige Überwindung, sich zu dem Entschluss durchzuringen, den Caer-Priester anzupacken. Doch kaum hatte er sich dazu überwunden, da bemächtigte sich seiner plötzlich eine fremde Macht, die seine Glieder lähmte. Über der Priestergestalt lag ein unsichtbarer Schein, der seine zupackenden Hände abstieß und ihm einfach nicht erlaubte, seinen Willen auch in die Tat umzusetzen.
    Diese Macht schlich von seinen Fingerspitzen die Arme hoch, kroch in seinen Körper und in seinen Kopf und setzte sich dann in seinem Gehirn fest. Diese Macht lähmte ihn, und sie starrte ihn aus Drundyrs Augen an. Das war der Dämon. Hämisch, siegesgewiss, verderbenbringend.

Weitere Kostenlose Bücher