Die goldene Galeere
Schwach noch, aber immer stärker werdend. Und er holte sich seine Kraft auch aus Mythor. Er flüsterte ihm zu und zeigte ihm, wie Drundyr es geschafft hatte, zu überleben.
Der Dämon in dem besessenen Caer-Priester war es gewesen, der ihn sicher aus der Gefahr geleitet hatte. Der Dämon steuerte den Körper aus dem Bereich des Vallsaven und schiffte ihn durch die tobenden Elemente geradewegs ins Fahrwasser der Goldenen Galeere, deren seelenlose Besatzung sich den Befehlen ihres neuen Meisters nicht entziehen konnte und Drundyrs Körper einholen musste.
All das hatte den Körper erschöpft und Drundyr in tiefe Besinnungslosigkeit versinken lassen. Er war noch lange nicht erholt und würde noch eine Weile ohne Bewusstsein sein. Aber der Dämon in ihm war wach. Er attackierte Mythor und wollte ihm die Lebenskraft entziehen, um sie seinem Gastkörper zuzuführen.
Mit einem Aufschrei riss sich Mythor von den unheilvollen Eingebungen des Dämons los. Er fand augenblicklich zu sich selbst zurück. Er war wieder er selbst, aber die Augen des Caer-Priesters hingen immer noch an ihm. Der Dämon gab nicht auf, wollte ihn zurückholen und seinen Verstand bezwingen.
Mythor sah in rascher Flucht den einzigen Ausweg. Ohne sich umzublicken, stürzte er durch den Laderaum, erreichte die Leiter und kletterte sie hoch. Als er durch die Doppelklappe ins Freie stieß, stand dort bereits Prinz Nigomir mit einer der widerhakenbesetzten Keulenlanzen. Er wartete, bis Mythor ganz zum Vorschein gekommen war, dann versetzte er ihm mit der Keule einen Stoß, dass er quer über Deck flog.
»Unseliger!« schrie er dabei. »Habe ich dich nicht gewarnt?«
Mythor stellte fest, dass niemand von der Besatzung an Deck war. Er überdachte seine Aussichten, im Kampf gegen Nigomir bestehen zu können, der ihn mit der Waffe vor sich her zum Heck trieb. Er versuchte, ihm die Waffe zu entwinden, doch Nigomir war zu geschickt, um ihn an sich heranzulassen.
Plötzlich spürte Mythor im Rücken einen Widerstand. Nigomir trieb ihn die Heckaufbauten entlang, bis Mythor hinter sich ins Leere griff und durch die offene Tür in die Kapitänskajüte taumelte.
Nigomir folgte ihm. Mythor erinnerte sich des Waffenschranks, öffnete ihn und fand dort sein Caer-Schwert. Doch als er sich mit der Waffe in der Hand umdrehte, hatte Nigomir seine Lanze bereits sinken lassen. Mythor blieb dennoch kampfbereit, denn der Verfluchte aus den Eislanden war unberechenbar. Prinz Nigomir ließ aber keine Feindseligkeiten mehr erkennen.
Mit seiner ungeübten Stimme, die das Sprechen fast schon verlernt hatte, sagte er bekümmert: »Ich wollte euch schonen. Nur zu eurem Besten habe ich das Verbot erlassen. Nun, da du dagegen verstoßen hast, seid ihr ebenfalls verloren.«
*
»Er hat mich gerufen«, sagte Nigomir, und Mythor war klar, dass er nur Drundyr meinen konnte. »Ich musste ihm gehorchen. Er hat Gewalt über mich.«
»Du kannst dich seinem bösen Einfluss entziehen«, sagte Mythor. »Noch ist Drundyr schwach, hilflos geradezu. Wende dich von ihm ab, Nigomir! Mir ist es vorhin auch gelungen, mich ihm zu widersetzen.«
»Ich unterliege anderen Gesetzen«, sagte Nigomir. Er hatte sich dem Fensterbild zugewandt, das ihn und seine Schwester Karen in glücklicheren Tagen ihrer Jugend zeigte. Als erkläre es alles, fügte er hinzu: »Ich war in der Schattenzone.«
Diesem Ausspruch folgte wieder eine lange Pause, und Mythor schwieg erwartungsvoll. Er hoffte, dass der Eisländer den Faden nicht verlor und diesen Gedanken weiter verfolgte.
»Mein eigener Vater hat mich dazu getrieben, dieses verabscheuungswürdige Verbrechen an meiner geliebten Karen zu begehen«, sagte Nigomir. »Er hat einen Gemahl für sie ausgewählt. Einen Nebenbuhler, Mythor! Ich geriet darüber in Raserei. Ich tötete zuerst den Rivalen und dann Karen, als sie sich deshalb von mir abwandte.«
Sein Atem ging keuchend, es hörte sich wie Kettenrasseln an. »Und es war wiederum mein eigener Vater, der mich wegen dieser Tat verfolgte und geradewegs in die Düsterzone trieb, in diesen Vorhof zur Unterwelt. Erst während meiner Irrfahrt durch das Reich der Dämonen wurde ich zu dem, was ich jetzt bin. Ich kann nicht sterben und darf nicht leben. Und wenn mich Diener des Bösen beschwören, dann muss ich gehorchen. Ich bin ihr Sklave. Drundyr hat schon einmal den Weg der Goldenen Galeere gekreuzt. Das war während seiner Überfahrt zum Festland. Dabei hatte er sich meiner Dienstbereitschaft versichert. Nun
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