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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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unterscheiden. Darum verwirrte es Mythor, dass dieser Fremde überhaupt keine Ausdünstung hatte. Wenn er die Augen schloss, roch er überhaupt nichts, nicht einmal das Salz des Meeres.
    Der Fremde rührte sich noch immer nicht, und so konnte Mythor auch in Ruhe seine Waffe betrachten. Es war das seltsamste Kriegsgerät, das er je gesehen hatte.
    Es sah aus wie eine Lanze von Übermannslänge, aber obwohl es bis zum Handgriff in der Mitte eine zweischneidige Klinge aufwies, besaß es keine Spitze zum Stechen, sondern endete in drei sternförmig auseinanderlaufenden Haken, wie sie zum Entern geeignet waren. Das andere Ende der Hakenlanze endete in einer Keulenverdickung. Damit stützte er sich auf dem Boden auf.
    Mythor wollte an dem Seekrieger vorbei. Doch da kam unvermittelt Bewegung in ihn. Sein rasselnder Atem und das Ächzen und Knarren seiner Gelenke vermischten sich zu einem fremdartigen Geräusch, als er die Waffe herumschwang und Mythor mit der Keule einen Stoß vor die Brust versetzte.
    »Mythor!« erklang da Nyalas Stimme aus der offenen Kajüte. »Sei vorsichtig.«
    Sie erschien in der Tür, das rote, leicht durchsichtige Gewand vor ihre Blößen haltend. Mythor war durch den heftigen Schlag gegen die Aufbauten gestoßen worden. Und von dort sah er, wie der Beschuppte bei Nyalas Anblick die Arme vor das Gesicht hob und zurücktaumelte. Dabei entrang sich ihm ein heiseres, tierhaftes Krächzen. Die Arme in Gesichtshöhe, den Kopf abgewandt, so taumelte er zurück.
    »Seltsam«, sagte Nyala. »Es sieht so aus, als würde mein Anblick den Seelenlosen zutiefst entsetzen. Was ist an mir, das ihn so ängstigt?«
    »Es könnte daran liegen, dass du eine Frau bist«, sagte Mythor. Er betrachtete sie mit wohlgefälligem Schmunzeln. »Anders kann ich sein Benehmen nicht deuten, denn an dir ist wirklich alles so, wie es an einer Frau sein soll.«
    »Mythor, wie kannst du nur!« sagte sie tadelnd und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Auf einmal war um Mythor wieder das seltsame Lautgemisch von Rasseln und Ächzen. Zwei sehnige, beschuppte Gestalten kamen von den Bugaufbauten gesprungen. Sie verriegelten mit einem dicken Balken die Kajütentür und nahmen dann mit erhobenen Waffen davor Aufstellung. Kaum standen sie still, kam kein Laut mehr von ihnen. Als Mythor einen Schritt auf sie zumachte, stießen sie ihm beide wie auf einen unhörbaren Befehl hin die Keulenenden ihrer Lanzen vor die Brust. Sie waren so schnell, dass Mythor ihren Schlägen nicht ausweichen konnte.
    In die Stille hinein ertönte ein Krachen. Als Mythor herumwirbelte, sah er, dass die Tür bei den Heckaufbauten aufgeflogen war. Darin tauchte ein Mann auf, der sich von den anderen nicht wesentlich unterschied. Seine Kleidung war die gleiche, sein Gesicht ebenso knochig und sehnig und sein Hals unter hervortretenden Muskelsträngen angespannt. Nur sein Haar war locker und leicht und wirbelte beim leisesten Luftzug wie eine schwarze Flamme. Er schien Mythor aus dunkel lodernden Augen geradewegs anzusehen.
    Und dabei schwang er ein dickes Geflecht wie aus geschmeidigem Leder von einer Hand in die andere. Es war ein an beiden Enden verdickter Knüppel, und mal ließ er das eine Ende links von sich und dann wieder das andere rechts von sich gegen die Aufbauten knallen. Das dadurch hervorgerufene Geräusch klang wie ein Trommeln.
    Mythor bekam von hinten einen Stoß und machte ein paar Schritte in Richtung des Neuankömmlings. Als er stehenblieb, begann der andere wieder auf diese eigenartige Weise zu trommeln, ungeduldiger und herrischer diesmal.
    Da verstand Mythor und ging auf ihn zu. Beim Näherkommen erkannte er, dass es sich um einen Jüngling handelte, der um drei oder vier Lenze weniger zählen mochte als er selbst.
    Er trat einen Schritt zur Seite, um Mythor Platz zu machen, und deutete mit seinem Knüppel durch die Tür. Dabei sagte er mit kehliger, undeutlicher Stimme: »Komm herein!«
    Es hörte sich an, als habe sein Mund schon seit undenklichen Zeiten keine Worte mehr geformt. Aber es überraschte Mythor, dass er des Sprechens überhaupt mächtig war.
    Er trat an dem Jüngling vorbei in eine geräumige Kapitänskajüte, deren rückwärtiger Teil eine Reihe verglaster, bunt bemalter Fenster aufwies. Die farbigen Scherben ergaben zusammen ein Bild, das ein herrschaftlich gekleidetes Paar darstellte. Es waren ein Mädchen und ein Jüngling. In dem Jüngling glaubte Mythor sein Gegenüber zu erkennen. Das Glas mit dem Kopf des Mädchens

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