Die goldene Göttin
als an ihre eigene angeborene Überlegenheit und überließen die Religion den ungewaschenen Massen.
»Ausgezeichnet«, bemerkte Webley sarkastisch. »Damit ist der größte Teil der Bevölkerung als Gegner ausgeschaltet, und wir brauchen nur noch eine Armee disziplinierter und wohlbewaffneter Wächter zu überwältigen, die alle enthusiastische Mitglieder der offiziellen Religion sind. Das wird ein Kinderspiel.«
Fortune lächelte grimmig und dachte zurück: Warum mußt du so ein Mißklang in der Symphonie des Lebens sein?
Webley lachte, und er lachte noch, als das Südtor der Stadt vor ihnen lag, bewacht von fünf oder sechs Uniformierten. Zwei von ihnen traten ihm in den Weg. Der Wind zerrte an ihren Federumhängen.
»Halt, Fremder!« befahl der kleinere der beiden. Dann sagte er halblaut zu seinem Partner: »Groß ist er, das ist wahr, aber kein Riese.« Zu Fortune: »Was führt dich hierher?«
»Ich möchte dem mächtigen Kronos dienen, wie ihr es tut«, antwortete Fortune. »Ich habe viel von den Wächtern gehört und möchte der Truppe beitreten – aber nicht bevor ich mir in der nächsten Taverne den Bauch gefüllt habe. Das Mädchen und ich haben heute noch nichts gegessen.«
»Ich kenne deine Tracht nicht«, sagte der Wächter und beäugte Fortunes Helmbusch. »Von wo …?«
»Ich komme aus einem entfernten Land«, sagte Fortune wahrheitsgemäß. »Du kennst es nicht. Außer dem Mädchen bin ich allein. Wahrlich, mein Magen knurrt aus Mangel an Nahrung, wenn wir also nun passieren dürften, um eine Taverne …«
Aber der Wächter war noch nicht zufrieden und winkte ab. »Wie bist du hierher gekommen?«
»Mit einem Schiff, natürlich.«
»Und wo ist das Schiff?«
Fortune seufzte. »Vor einigen Wochen kamen wir in einen Sturm. Das Schiff sank mit der Besatzung, nur ich trieb tagelang auf einem Wrackteil und wurde endlich halbtot ans Ufer geworfen, ein gutes Stück nördlich von hier. Das Mädchen fand mich und pflegte mich gesund. Sie erzählte mir von dieser Stadt, und nun bin ich hier, um meine Dienste dem König anzubieten.«
»Ich finde es komisch«, sagte der zweite Wächter schließlich, »daß du bei alledem dein Schwert behalten hast.«
»Ich bin dankbar dafür. Es ist alles was ich besitze.«
»Du lügst«, kam die prompte Antwort. »Der Geldbeutel an deinem Gürtel ist alles andere als leer.«
Fortune hob seine Schultern und breitete die Hände aus. »Eine Kleinigkeit. Ein Geschenk von einem Reisenden, den ich vor mehreren Tagen traf. Irgendwie starb er bald darauf – wie ich sterben werde, wenn ich nicht bald essen kann.«
»Wo ist die Verrückte?«
»Verrückte?«
»Die alte Frau von gestern abend, die von der Menge verfolgt wurde.«
»Alte Frau? Nein, ich habe keine gesehen. Hast du gestern abend eine alte Frau gesehen, Mädchen, hinter der welche her waren?«
»Nein, Herr«, antwortete Norni.
»Tut mir leid, Freunde, aber wir haben keine alten Frauen getroffen, und wir sind seit gestern auf dieser Straße unterwegs.«
»Sie wurde von einem Riesen geführt«, sagte der Wächter. »Seine Rüstung war der deinen sehr ähnlich.«
»Ein Riese in einer Rüstung wie meiner?« überlegte Fortune laut. »Es tut mir aufrichtig leid, daß ich ihn verpaßt habe. Ich habe noch nie einen Riesen erschlagen und würde es gern ausprobieren – aber nicht mit leerem Bauch. Nun, Freunde, welche Schenke würdet ihr mir empfehlen?«
»Dein Name, Krieger?«
»Fortune.«
Der Wächter lächelte. »Ein passender Name für einen, der einen Schiffsuntergang überlebt hat. Hinter dem Tor mußt du links abbiegen, Fortune. In der Straße, durch die du dann kommst, gibt es zwei Tavernen. Die zweite hat eine ausgezeichnete Küche. Wenn wir den Riesen finden, wirst du davon hören und deine Chance bekommen. Guten Appetit.«
Triumphierend betrat Hannibal Fortune die Stadt.
*
Die Taverne mit ihrem runden Schilfdach sah von außen wie ein mächtiger Brotwecken aus. Ein starker Duft gerösteten Fleisches drang durch den offenen Eingang und bewies, daß der Wächter sie nicht irregeführt hatte.
Fortune blieb einen Moment im Eingang stehen, um seine Augen an das Dämmerlicht im Innern zu gewöhnen, dann führte er Norni an einen freien Tisch nahe bei der Tür. Mindestens fünfzig Gäste waren anwesend und erfüllten den Raum mit ihren Stimmen. Durch den Lärm kamen die monotonen Rhythmen eines Musikanten, der zwei kleine Handtrommeln virtuos mit Fingerspitzen und Handballen bearbeitete.
Ein
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