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Die goldene Göttin

Die goldene Göttin

Titel: Die goldene Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Maddock
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Allmählich gelangte sie zu der Überzeugung, daß es ihre Pflicht dem Meeresgott gegenüber war, den Kult der Yolarabas zu bekämpfen.
    Oranas starb. Ylni folgte ihm auf den Thron. Ylni, die ihre eigene Schwester umbringen wollte, jenes stille, sanfte Mädchen, für das Norni gesorgt und das sie lieben gelernt hatte. Im Namen der toten Zwillingsschwester erklärte Norni sich zur Feindin der Königin. Im Namen Nodiesops erklärte sie sich zur Feindin der Yolarabas. Das alte Ehepaar hatte ihr den Namen Laara gegeben, doch nun nahm sie den Namen von Ylnis Schwester an und nannte sich Norni.
    In Ylnis erstem Regierungsjahr kehrte sie nach Nodiesopis zurück. Sie bediente sich vielerlei Verkleidungen und bewegte sich zwanzig Jahre lang auf allen Ebenen der nodiesopischen Gesellschaft: als Tänzerin, Wahrsagerin, altes Weib, Witwe eines reichen Händlers, Geliebte eines Anführers in Ylnis Armee. Sie hatte sich sogar um Aufnahme in die Schwesternschaft beworben, was ihr Gelegenheit gab, die Königinmutter Saegeas kennenzulernen. In jeder ihrer Rollen säte sie Mißtrauen gegen die goldene Göttin und gab die Schuld an allen Mißständen, die sie um sich sah, abwechselnd Yolarabas und Ylni. Das Leben wäre besser, propagierte sie, wenn die Leute wie in den alten Tagen an Nodiesop glauben würden. Sie verbreitete sogar das Gerücht, Ylni sei in Wirklichkeit nicht Saegeas’ erstgeborene Tochter. Da sich die Lebensverhältnisse im Königreich unter Ylnis Regierung merklich verschlechtert hatten, fanden ihre aufrührerischen Reden bei vielen Leuten offene Ohren.
    Die Verrückte von Manukronis trat erst nach Kronos’ Ankunft in Erscheinung. Da Kronos eine breite Interpretation für verräterische Umtriebe einführte und R’cagn ehrgeizig darauf bedacht war, Gegner des Regimes aufzuspüren und zu bestrafen, konnte Norni nicht länger offen gegen das Königreich sprechen. Allerdings war R’cagn ziemlich nachsichtig gegen Leute, die gegen die goldene Göttin predigten, und weil Norni wußte, daß Ylni seinen Heiratsantrag hohnvoll abgelehnt hatte, folgerte sie richtig, daß er Angriffe gegen die Hohepriesterin billigte. Trotzdem hatte sie in verschiedenen Teilen der Stadt Verkleidungen versteckt, falls die Verrückte von Manukronis untertauchen mußte.
    Auch im Tempel hatte es Veränderungen gegeben. Königinmutter Saegeas wurde ermordet und hatte keine Gelegenheit mehr, die Bäuche ihrer Schwesternschaft vom langsam reifenden Samen Kronos’ mächtiger Rasse aufgebläht zu sehen. Mit den Jahren, die seither vergangen waren, war das anders geworden, und jetzt gab es annähernd eintausendvierhundert Kinder bis zu siebzehn Jahren, die ihren zeitraubenden Weg zur Reife angetreten hatten. Zweihundert weitere waren unterwegs, aber noch ungeboren.
    Das Volk hatte eine Prophezeiung Wirklichkeit werden sehen, als Kronos gekommen war, und eine weitere, als die Schwesternschaft begonnen hatte, die »mächtige Rasse« in die Welt zu setzen. Es war nur logisch, daß auch die Verrückte von Manukronis einen Blick in die Zukunft tat und damit anfing, die bevorstehende Ankunft eines Rächers zu verkünden, den Nodiesop entsenden würde, damit er den heidnischen Tempel zerstöre und die Hohepriesterin und ehemalige Königin für ihre Schandtaten bestrafe.
    Nun sah sie, daß ihre Gebete in all diesen Jahren von Nodiesop selbst inspiriert worden waren. War nicht der langersehnte Rächer endlich gekommen?
     
    *
     
    Hannibal Fortune sah keinen Grund, ihr die Illusion zu nehmen. Fälschlicherweise für den Rächer gehalten zu werden, konnte recht vorteilhaft sein. Ohne fremde Hilfe hatte sie unter den Einwohnern eine Gemeinde treuer Anhänger des Meeresgottes zusammengehalten. Obwohl diese Leute eine Minderheit darstellten, waren sie bei weitem fanatischer als die Gläubigen des offiziellen Kults, wenn er Nornis Angaben glauben durfte. Weil sie sich vorwiegend aus den untersten Gesellschaftsschichten rekrutierten, hatten sie auch weniger zu verlieren, wenn ein bewaffneter Aufstand notwendig wurde. Die Yolarabiten so sagte sie, kamen meist aus den wohlhabenderen Schichten. Im Falle eines Aufstands würden sie lieber ihre Türen verrammeln und hoffen, daß die revoltierenden Lastträger und Hafenarbeiter an ihrem Haus vorbeigehen würden, als gegen sie zu kämpfen. Von den Armen konnte kaum einer die Tempelgebühren bezahlen. Der Kult der Yolarabas war darum zu einer eher bürgerlichen Religion geworden. Die Adligen wiederum glaubten an nicht mehr

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