Die goldene Königin
die seines eigenen Pferdes und reichte sie seinem Stallburschen, der gekommen war, um die Pferde zu übernehmen.
»Gib diesem Pferd den besten Stall und frischen Hafer. Es soll sich ausruhen. Ich möchte, dass du es ebenso gut versorgst wie mein eigenes.«
Dann wandte er sich an Mathilde.
»Ich vermute, Ihr seid nicht gekommen, um mit mir über Maximilien de Sforza oder Eure Mädchenängste zu sprechen.«
»Mich dünkt, ich erinnere mich an Euren Humor, Seigneur Kapitän. Nun, wisst, dass meine Mädchenängste die einer jungen Dame geworden sind.«
In den Augen Bernardins blitzte Ironie auf. Er wollte etwas erwidern, doch Mathilde fuhr sogleich fort:
»Nein, Seigneur, ich bin gekommen, um Euch um Hilfe zu bitten.«
»Um Hilfe?«
Der spöttische Ausdruck in seinen Augen wandelte sich in Erstaunen. Er fasste behutsam ihren Arm.
»Kommt! Drinnen können wir uns in Ruhe unterhalten. Meine Gattin, die sicher gekommen wäre, um zu sehen, mit wem ich spreche, wird uns nicht stören.«
»Ist sie nicht da?«
»Sie lebt nicht in Marseille, sondern in Lyon.«
»Ah.«
»Und Ihr, Dame, habt Ihr einen Gatten? Es schien mir vorhin â¦Â«
»Nein, noch nicht«, unterbrach sie, »und im Moment möchte ich auch keinen.«
»Eine klare Antwort. Ich vermute allerdings, dass die Bewerbe r sich vor einer so hübschen Person tummeln. Hat die Duchesse dâAlençon keinen edlen Knappen für Euch gefunden?«
»Die Duchesse dâAlençon weiÃ, dass ich mich nicht übereilt in die Ehe stürzen, sondern erst noch in Freiheit meine Launen ausleben möchte.«
»Eure Launen! Teufel! Sind es so viele?«
»Sie sind unerschöpflich.«
Er lachte aus vollem Hals, während er sie in einen groÃen Salon treten lieÃ, in dem alles luxuriös und prachtvoll wirkte. Geschnitzte Möbel, Truhen mit Schlössern aus Bronze, Kostbarkeiten aus Glas und Alabaster und an den Wänden schöne Tapisserien.
»Ach!«, sagte sie plötzlich und deutete auf eine der Tapisserien. »Die Geschichte von David und Bathseba .«
»Ihr kennt sie?«
»Ja, die Geschichte besteht aus zehn Bildern. Ich kenne den Teil, der sich Dem König wird der Sieg verheiÃen nennt. Er wird in der Werkstatt meiner Mutter gewebt.«
Mehr sagte sie nicht, denn sie wusste nicht, wie sie ihre Empfindungen ausdrücken sollte. Valentine hätte das sicher besser gemacht, nach allen Regeln der Kunst. Sie hätte völlig ungezwungen die Altaraufsätze, Tabernakel, die Rippengewölbe und Kirchenschiffe kommentiert. Sie hätte mühelos den Prunk der Gewänder und die Frisuren der Figuren beschrieben â die eckigen oder runden Kappen der Männer, die direkt der in Frankreich aufkommenden Renaissance entstammten, die prunkvollen Roben, die mit breiten Falten auf die Steinplatten fielen, die geflochtenen, mit Rubinen verzierten Haare der Frauen. Alles aus Brokat, Seide und dunklem Gold, ganz nach dem Geschmack der Florentiner.
So begnügte sie sich mit einer Frage:
»Ihr besitzt erst einen, Seigneur. Sind die zehn Bilder für Euch bestimmt?«
»Ich denke.«
Der Kapitän beobachtete sie. Der Blick, mit dem Mathilde den Wandbehang begutachtete, erinnerte ihn daran, dass sie die Tochter einer Weberin war. Aber er insistierte nicht.
»Ihr werdet immer schöner, Mathilde«, stellte er schlicht fest und trat auf sie zu.
»Ach, Ihr erinnert Euch an meinen Vornamen!«
»Er ist mir soeben wieder eingefallen. Vorhin habe ich nur Euren Blick wiedererkannt. Aber Eure Gestalt hat sich verändert.«
Er deutete auf einen Sessel.
»Wie kann ich Euch behilflich sein?«
»Ich muss nach Florenz.«
»Wie seid Ihr bis hierher gekommen?«
»Mit einem Tross, der aus sechs Personen bestand, aber ich musste sie verlassen. Jetzt bleibt mir nur noch die Möglichkeit, die italienische Küste per Boot zu erreichen.«
Er betrachtete sie schweigend und dachte nach.
»Ich kann schwerlich ein Boot nur für eine Person auslaufen lassen.«
»Das verstehe ich sehr wohl. Aber ich dachte, dass Ihr vielleicht den Kapitän eines kleinen Kahns kennt, der mich für eine bescheidene Summe mitnimmt, denn â¦Â«
»Denn Ihr habt praktisch kein Geld mehr. Hat man Euch unterwegs ausgeraubt?«
»Nein.«
Er starrte sie eine ganze Weile an und lieà den Blick über ihre
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