Die goldene Königin
schönen Liebesgeschichte geschlossen, um ein neues aufzuschlagen.«
»Meine Mutter trauert noch immer um Alessandro«, widersprach Mathilde. »Sie hat einen Jugendfreund geheiratet.«
Lucrecia schüttelte den Kopf.
»Und nun sprechen wir nicht weiter über alte Geschichten. Würdet Ihr eine Einladung zum Abendessen annehmen? Es wäre mir ein Vergnügen, wenn Ihr mir von Frankreich erzähltet.«
Mathilde hob den Blick zu Philippo. In seinen Augen zeigte sich ein heiterer Glanz, während die seines Bruders noch immer wütend funkelten.
Insgesamt zufrieden mit dem Auftritt bei ihren Halbbrüdern, auch wenn Leonardo anders als Lucrecia und Philippo ihr seine Sympathie bis zum Schluss verweigert hatte, begab sich Mathilde am nächsten Tag mit Constance zum Atelier da Vincis. LieÃe sich die Gioconda von fremden Händen mitnehmen, um sie demjenigen zurückzubringen, der sie voller Liebe gemalt hatte?
Das alte Haus stand in einem recht belebten Viertel am anderen Ende der Stadt. Eigentlich war das Atelier nichts als eine finstere Rumpelkammer, in der der Maler unvollendete Leinwände gestapelt hatte. Der Schuppen befand sich am Ende eines kleinen, nicht gepflasterten Hofs. Die Tür stand halb offen. Jeder konnte einfach durch die beschädigten Türbretter eindringen, alles durchsuchen und mitnehmen, was ihm gefiel. Zumindest, als es noch etwas mitzunehmen gab, was jetzt eindeutig nicht mehr der Fall war.
»Es wäre erstaunlich, wenn sein Bild noch da wäre«, murmelte Constance, während sie sich duckte, um die dunkle Kammer zu betreten.
Der Raum roch nach Schmutz und Staub. Ganz offensichtlich hatte ihn jemand durchsucht. Er war fast leer. Zunächst waren sie überzeugt, hier nichts zu finden, das annähernd an ein Bild erinnerte, weder die Gioconda noch etwas anderes. Doch als sie vorsichtig weiter in den Raum vordrangen, bemerkten sie unter den Trümmern eines zerbrochenen Fensters einen Haufen leerer Leinwände sowie einige alte mit Farbe bespritzte Lappen. Darüber lag eine schmutzige, zerschlissene Decke.
Sie lieÃen die Blicke durch das kleine Lager gleiten und begriffen schnell, dass das Bild des Meisters wohl kaum an den schwarzen dreckigen Wänden hing. Dort fanden sich nur ein paar obszöne Kritzeleien, die jene hinterlassen hatten, die in den tristen Raum eingedrungen waren.
In der Mauer entdeckten sie ein Loch von der GröÃe eines StrauÃeneis, steckten vorsichtig tastend die Hand hinein, fanden jedoch nichts.
»In diesem Loch«, stellte Constance mit Bestimmtheit fest, »kann sich das Bild, von dem du sprichst, nicht befinden. Auch wenn es ein kleines Bild ist.«
Sie kehrten zu den Leinwänden zurück, die sie unter der Decke gefunden hatten, hoben sie an und untersuchten sie Stück für Stück. Doch sie fanden nichts als leere, staubige und dreckige Leinwände und Kartons.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Constance, »diese Leinwände sind mit einem guten Zinkweià überzogen und können noch benutzt werden. Warum hat man sie nicht mitgenommen?«
»Weil die, die hier waren, nur an Bildern von Maître da Vinci interessiert waren. Suchen wir weiter«, beharrte Mathilde, die die Vorstellung betrübte, ohne das versprochene Bild nach Frankreich zurückzukehren.
Dann seufzte sie und entspannte sich bei dem Gedanken an das byzantinische Meisterwerk, das sie François schenken würde. Sie hatte Constance nichts davon erzählt und versteckte es noch immer in ihren Kleidern, die sie zurzeit nicht trug. Sie zog es vor, sich in prächtige Roben ihrer Tante zu kleiden, die diese ihr groÃzügig zur Verfügung stellte.
Sie hatten die Mauern abgetastet, den Raum noch einmal mit den Blicken durchsucht, erneut den Stapel aus Kartons und Leinwänden durchgesehen und sogar hinter die wurmstichigen Türbretter gespäht, um sich davon zu überzeugen, dass ihnen nichts entgangen war. Sie fanden jedoch nichts und mussten sich wohl oder übel geschlagen geben.
»Es ist zwecklos«, stellte Mathilde leise fest. »Hier ist nichts.«
»Hast du nicht noch eine andere Idee?«, erkundigte sich Constance. »Gibt es niemanden, den du fragen kannst?«
»Doch!«, antwortete Mathilde hoffnungsvoll. »Baptista, aber ich weià nicht, wo er wohnt.«
»Sprichst du von da Vincis treuem Diener?«
»Ja.«
»Nun, ich weiÃ, wie wir das
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