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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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sie zu ihrem Bruder nach Blois brachte, öffnete der Himmel seine Schleusen. Es kam zu einem gewaltigen Wolkenbruch, der sie zum Anhalten zwang.
    Nach mehreren Wochen starken Regens trat die Loire über die Ufer, die kleinen Inseln waren nur noch als feine Bänder zu erkennen, die ganz im Wasser zu verschwinden drohten. Am Ufer lugten die Halterungen aus dem Wasser heraus, an denen die Boote festgebunden wurden. Bald würden die Furten unpassierbar sein und der Transport von Lebensmitteln und Waren eingestellt werden.
    Doch an der Seite einer kaum noch sichtbaren kleinen Insel, die nach und nach von den stürmischen Fluten überschwemmt wurde, bemerkten Marguerite und ihr Gefolge eine Barke, die anzulegen versuchte.
    Â»Das Boot scheint mir in Gefahr zu sein«, sagte Marguerite zu Catherine, die Charlotte an der Hand hielt.
    Â»Die Furt ist nicht mehr passierbar. Die Flut muss den Schiffer überrascht haben«, bestätigte Blanche, die ihre Augen mit der Hand schützte, während sie den Horizont beobachtete.
    Mit kräftigen Ruderschlägen näherte sich die Barke, wobei sie gefährlich schwankte. Marguerite und ihr Gefolge gingen dem Schiffer entgegen.
    Als sie auf seiner Höhe waren, entpuppte sich der Mann als junges Mädchen, das im Sturm mit dem kleinen Boot kämpfte, während ihm der Wind die dicken braunen Locken ins Gesicht peitschte.
    Â»Ich bin Marguerite, die Duchesse d’Alençon«, stellte sie sich der jungen Flussschifferin vor.
    Â»Die Schwester des Königs?«, fragte jene und hob den Blick zu ihr.
    Â»Höchstpersönlich. Ihr scheint in Schwierigkeiten zu sein. Die Anlegestellen sind überschwemmt, und die Furten beginnen unpassierbar zu werden.«
    Â»Diese hier ist noch passierbar«, antwortete die Schifferin. »Solange es möglich ist, darf ich meine Arbeit nicht verlassen. Außerdem hatte ich zwei Kunden.«
    Â»Zwei Kunden! Aber wo sind sie?«, wunderte sich die Duchesse d’Alençon.
    Â»Ich lasse sie über ihr trauriges Schicksal nachsinnen.«
    Das junge Mädchen drehte sich um und deutete mit der Hand auf die schmalen kleinen Inseln, die nach und nach vom Wasser überschwemmt wurden.
    Â»Aber was machen sie auf diesen Inseln?«
    Â»Sie denken nach.«
    Â»Mein Gott!«, murmelte Jean-Baptiste, der hinzukam, um sich bei den Frauen zu erkundigen, ob sie weiter der Straße folgen wollten. »Wenn Ihr sie dort lasst, sind sie in Kürze verloren.«
    Â»Sie haben es nicht anders verdient«, verkündete die junge Schifferin mit Nachdruck.
    Â»Wer sind sie?«, erkundigte sich Blanche, erstaunt über eine solche Leichtfertigkeit.
    Die junge Schifferin ließ eines der Ruder los und warf ihre Haare zurück.
    Â»Franziskaner, die mich missbrauchen und vergewaltigen wollten.«
    Marguerite hob den Blick zum Himmel.
    Â»Die Verdammten! Haben die bei einem solchen Sturm nichts anderes im Kopf?«
    Â»Gerade bei der starken Strömung haben sie geglaubt, ich sei verwirrt. Aber schließlich habe ich sie verspottet. Ich habe ihnen eingeredet, dass jeder von ihnen auf einer einsamen Insel auf mich warten müsse und dass ich nacheinander ihre Gelüste befriedigen würde. Als ich sie abgesetzt habe, war der Fluss noch nicht so hoch.«
    Sie lachte harsch.
    Â»Sollen sie ruhig auf mich warten. Als ich mich weit genug entfernt hatte, habe ich ihnen zugerufen, dass sie ihre Angelegenheit zu Ende bringen könnten, wenn das Wasser wieder gesunken sei. Sie haben meinen Betrug schon lange bemerkt und quieken jetzt vermutlich wie die Schweine auf dem Weg zur Schlachtbank.«
    Sie griff erneut nach dem Ruder. Es fehlten nur noch wenige Schläge, dann hatte sie das Ufer erreicht.
    Â»Es muss Gerechtigkeit geben«, sagte sie.
    Â»Aber der Fluss wird sie mit sich reißen!«
    Â»Da kann man nichts machen, Dame la Duchesse. Das macht zwei Schweinepriester weniger auf der Welt.«
    Marguerite musste unwillkürlich lächeln, im Grunde stimmte sie der jungen Flussschifferin zu. Aber sie konnte sich nicht zur Komplizin eines so fanatischen Aktes machen. Sie verurteilte jede Form der Todesstrafe.
    Â»Das ist Eure Gerechtigkeit«, erklärte sie ruhig. »Aber nicht die meine.«
    Â»Wenn es nicht anders geht, muss man sich seine eigene Gerechtigkeit schaffen. Zeige ich sie an, wird mir niemand glauben. Vielmehr wird jeder sagen, dass eine Frau nicht als Flussschifferin arbeiten

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