Die goldene Königin
sie am nächsten Tag so schnell wie möglich die Stadt verlassen konnte, um nach Beauvais, Amiens und Arras zu kommen. Sie fürchtete sich, doch sie hatte noch keine Ahnung, wer die bösen Kerle waren. Es handelte sich um eine Bande von ungefähr fünfhundert Dieben, die im Jahr 1510 nach Paris gekommen waren und die sich seither stark vermehrt hatten. Sie begnügten sich nicht damit, wie ihre Vorgänger durch die Städte zu ziehen und alles mitzunehmen, was sie fanden, vor allem, was sie zum Ãberleben brauchten â Holz, Wein oder Geflügel. Heute handelte es sich um geschickte Diebe, die sich überall Zugang verschafften â in die Kirchen, Häuser und Gaststätten.
Früher hatte es schon einmal eine Bande von StraÃenräubern in Paris gegeben. Die waren allerdings weniger stark gewesen, und man hatte sich ihrer schnell entledigt. Das waren die Gefährten von François Villon gewesen â Diebe, aber keine Mörder.
Doch diese hier waren von der schlimmsten Sorte, denn das Morden bereitete ihnen Vergnügen. Die Kammer für kriminelle Angelegenheiten von Tournelle, die dem Pariser Parlament angehörte, konnte die Verbrechen, die sie begingen, nicht mehr bearbeiten. Obwohl François I. ein Dekret unterzeichnet hatte, mit dem er den Parisern versprach, für Ruhe und Frieden zu sorgen sowie für eine gute und gerechte Gerichtsbarkeit, änderte sich nichts. Der arme Vogt von Paris, den die Ereignisse überrollten, wusste nicht mehr, was er tun sollte.
So befand sich die Hauptstadt weiter unter dem Joch dieser Banditen. Eine erste Razzia hatte allerdings stattgefunden, und dank einiger mutiger Pariser waren mehr als dreihundert üble Subjekte auf die Galeeren geschickt worden. Diese ersten Sträflinge hatte man »Galeriens« genannt, wobei dieser Begriff bislang nicht für Diebe und Mörder bestimmt war, sondern für einfache Seemänner, die die Galeeren geschickt zu manövrieren wussten.
Aber den dreihundert Verbrechern, die mit Eisenkugeln an den Knöcheln aufs weite Meer hinausgeschickt worden waren, folgten schnell neue nach, die aus allen Ecken Frankreichs kamen und durchaus einige Sympathisanten in den höchsten Reihen der Gesellschaft zählten.
Am Morgen, als Mathilde Paris verlassen und nach Beauvais reiten wollte, begegnete sie dem, den man König Guillot nannte. Unwillentlich geriet sie in ein schmutziges Abenteuer, das sie noch lange erschaudern lieÃ.
Als sie das Gasthaus verlassen wollte, befand sich Fildor nicht in seinem Stall. Dem jungen Mädchen traten SchweiÃperlen auf die Stirn, und ihre Beine begannen zu zittern. Was sollte sie ohne ihr Pferd tun? Wo war Fildor geblieben? Ihr schöner und mutiger Begleiter, ihr treuer und aufrichtiger Freund!
Der Stallbursche des Gasthauses gestand verschämt, dass er gesehen hatte, wie ein Räuber in den Stall eingedrungen war. Aber nachdem er schlieÃlich in den Stall gekommen sei â zweifellos, nachdem die Gefahr vorüber war â, fehlte kein Pferd. Deshalb, so erklärte er, habe er auch nicht gemeldet, dass ein Pferd verschwunden sei.
Als Mathilde laut wurde und rief, dass sie sich an die Justiz des Königs wenden werde, damit man ihr Pferd wiederfände, bekam der Stallbursche es mit der Angst zu tun und gestand, dass der böse Kerl, den er im Stall bemerkt hatte, sich mit ihrem Pferd davongemacht hätte, wobei er in der einen Hand die Zügel und in der anderen einen Dolch gehalten habe.
Der Gastwirt, der seinen Stallburschen offenbar nicht bestrafen und noch nicht einmal zurechtweisen wollte, begnügte sich mit dem Hinweis: »Begebt Euch zu ihrem Unterschlupf.«
Mathilde war sprachlos. Die Dreistigkeit dieses Vorschlags verschlug ihr den Atem.
»Sie sind nicht sehr böse«, fuhr der Mann ironisch fort und kniff die Augen zusammen, um diese unfassbare Lüge zu überspielen, bei der sich die Balken seines Hauses bogen.
Hatte dieser Idiot sie nicht am Vorabend gewarnt, sie müsse sich vor diesen Leuten in Acht nehmen und ihr dabei solche Angst eingejagt, dass sie die ganze Nacht nicht hatte schlafen können?!
Inzwischen wusste Mathilde, die die Reden der Menge gehört hatte, genau, wer diese Verbrecher waren, und begriff die Gefahr ebenso wie die Pariser.
»Was sagt Ihr?«, schrie sie.
»Sie sind gar nicht böse!«
»Das soll wohl ein Scherz sein«, entgegnete sie rot vor Wut.
Er
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