Die goldene Königin
nehmen!«
»Und wer finanziert das?«
»Wir schon wieder!«
Um den Zwerg hatte sich eine kleine Gruppe gebildet und machte ordentlich Radau. Der Knirps reckte den Kopf, gab den Dämonen aus der Hölle die Schuld und drohte, sie alle nach seinem Hinscheiden niederzustrecken.
»Die Schlösser! Diese Schlösser! Wenn es nur die wären! Es sieht aus, als flössen alle Steuergelder nach Mailand.«
Der Gastwirt kam auf seine ursprüngliche Aussage zurück.
»Donnerwetter! Das Parlament hat sich darum zu kümmern.«
»Was können wir tun?«
»Prozessionen!«
Der kleine rundliche Mann, der diesen Einwurf gemacht hatte, besaà eine spitze Nase, die unter einem breitkrempigen Hut hervorlugte. Er fing höhnisch an zu lachen. Ein anderer entgegnete:
»Weder Prozessionen noch Heilige oder der liebe Gott werden das richten. Wenn sich der König nicht darum kümmert, werden wir alle krepieren.«
»Nein! Wir krepieren nicht!«
Die Menge wuchs, und jeder tat wütend und gehässig seine Meinung kund.
»Glaub doch, was du willst«, erwiderte ein dicker Bäcker und drohte dem, der ihm widersprochen hatte, mit der Faust.
Der Gastwirt meldete sich erneut zu Wort:
»Und das Getreide! Letztes Jahr kostete es einundzwanzig Sous. Jetzt ist der Preis auf vier Livre und zehn Sous gestiegen.«
»Das ist kein Wunder. Saint-Denis beliefert uns nicht mehr. Man muss alles von der Ile-de-France holen. Der Transport und das alles kostet!«
»Gut! Wir müssen die Kriege des Königs bezahlen.«
»Die Kriege des Königs bezahlen! Das ist doch Geschwätz!«
»Geschwätz! Willst du dir eine fangen? Du wirst schon sehen, dass das kein Geschwätz ist. Frag doch den Gerichtsschreiber. Er führt Buch und wird dir sagen, wer die Kriege des Königs finanziert.«
Ein groÃer hagerer, schlecht rasierter Bürger mit abstehenden Ohren erhob die Faust.
»Er hat recht. Wir haben zehntausend Livres für die Mailänder Kriege bezahlt. Das machen wir sicher nicht noch einmal. Der König hat eine schöne neue Armee in Pavie aufgebaut â¦Â«
»Und die Prozessionen mit den Ave-Maria, den Vaterunser und dem Tedeum nutzen nichts.«
Das hatte Mathilde schon einmal gehört. Von dem Grenzstein aus, an dem sie Fildor angebunden hatte, sah sie denjenigen, der zu der Menge sprach. Er war dick und hatte ein rotes Gesicht. Als er höhnisch auflachte, schlug er sich mit den Händen auf die Schenkel.
Schnell begriff Mathilde, in welche Atmosphäre sie in Paris geraten war. Sie versuchte, sich nicht verrückt zu machen, und sagte sich, dass sie nicht lange in der Hauptstadt blieb. Sie würde in den Norden weiterreiten, in Richtung Lille, Amiens und Brüssel, um schlieÃlich so schnell wie möglich Brügge zu erreichen.
Sie war fest entschlossen, sich diesmal auf kein Gespräch mit jemandem einzulassen, dem sie begegnete, und sich vor allem nicht von dem erstbesten Edelmann einladen zu lassen, auch wenn er ausgesucht höflich und anständig erschien.
Bevor sie das Gasthaus betrat, das bescheiden wirkte, ohne dabei einen heruntergekommenen Eindruck zu machen, vernahm sie eine weitere Bemerkung, die nichts Gutes ahnen lieÃ. Sie wandte sich noch einmal der wütenden Menge zu:
»Ach! Uns reicht es. Paris ist eine gefährliche Gegend geworden. Die âºbösen Kerleâ¹ lauern überall. Sie werden verfolgt und gehängt, oder man schneidet ihnen die Kehle durch, aber sie kehren immer noch lebhafter und zahlreicher zurück.«
»Ich gehe abends nicht mehr vor die Tür.«
»Abends! Wenn es nur der Abend wäre! Bald können wir Weiber keine Geschäfte mehr machen. Unser Vogt ist nicht mutig genug.«
Man nannte sie die »bösen Kerle«. Ihr Anführer war ein gewisser König Guillot. Die Verbrecherbanden hatten sich vor ein paar Jahren in der Hauptstadt niedergelassen. Diebe, Plünderer, Vergewaltiger, die man so bezeichnete, weil sie vor nichts zurückschreckten. Sie tauchten aus dem Nichts auf, geisterten durch Paris, schlichen sich überall ein, strangulierten Menschen mit bloÃen Händen und töteten sie mit dem Messer, mit der Faust oder mit dem Schürhaken, wenn sie in ihre Häuser eindrangen.
Am Abend ihrer Ankunft hatte der Gastwirt solche Angst vor ihnen, dass sich seine Angst auf Mathilde übertrug und sie die ganze Nacht überlegte, wie
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