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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Zeit verlieren. Ich hole einen Arzt. Lassen wir die arme Césarine hier. Wir können nichts mehr für sie tun. Leo und die Männer aus der Werkstatt sollen sie später holen.«

22.
    Drei Tage später erreichte Mathilde Paris. In der Hauptstadt herrschte große Aufregung. Die Menschen liefen laut lamentierend durch die Straßen, stritten miteinander und schlugen sich. Die Stärksten waren überlegen, indes schwangen die Angehörigen der oberen Gesellschaftsschichten ausgefeilte Reden.
    Abgesehen von den schönen Vierteln, in denen sich François I. aufhielt, wenn er der Hauptstadt einen Besuch abstattete, befand sich Paris seit einigen Jahren in keinem guten Zustand. Die prächtigen Jahre unter der Herrschaft von Louis XII . waren vorüber.
    Paris fiel wieder in den alten Zustand unter der Herrschaft von Louis XI. zurück, als Verbrecherbanden durch Paris gezogen waren und die Bewohner mit ihren üblen Taten, ihren Raubzügen, Überfällen und Morden gequält hatten. Und wenn die Hauptstadt nicht bald reagierte, wenn die Proteste weiterhin ignoriert wurden und man nur versprach, die Sache zu überdenken, würde in Paris bald eine Hungersnot herrschen, ganz zu schweigen von der Pest oder sogar der Syphilis, dieser heimtückischen Krankheit, die die Seemänner von ihren weiten Reisen aus dem Pazifik mitgebracht hatten.
    Wirklich, die Hauptstadt wirkte bedrohlich. Mit diesem Empfang hatte Mathilde nicht gerechnet. Entlang des Kais schrien die Menschen, dass die Seine zu einem Schweinestall verkomme, weil man von der Pont-aux-Meuniers und der Pont-aux-Changes den Müll und den Mist hineinwerfe. Überall ertönten aufgebrachte Rufe und Klagen.
    Â»Man kann noch nicht einmal mehr das Wasser aus den Brunnen trinken«, rief eine dicke Frau im pelzgefütterten Mantel mit erhobener Faust, während sie die andere Hand in die Hüfte stemmte.
    Â»Das stimmt. Niemand kümmert sich mehr um die Flüsse«, stimmte ihr ein ebenso korpulenter Mann zu.
    Ein anderer Pariser schaltete sich ein. Ein Bürger von hübscher Gestalt, hätte die Gehässigkeit, die sich in seine Gesichtszüge grub, ihn nicht gewöhnlich wirken lassen. Er wandte sich wütend an die Passanten und wirbelte bei jeder seiner ausladenden Gesten die Ärmel seines pelzgefütterten Mantels durch die Luft. Laut rief er, er habe stinkendes Wasser aus dem Brunnen in seinem Hof gezogen, und seine ganze Familie habe sich heftig übergeben. Er übertönte die anderen, und sein hochrotes Gesicht ließ befürchten, er werde gleich einen Herzanfall erleiden. Die anderen hörten ihm zu und nickten zustimmend mit dem Kopf.
    Ein kleiner Flickschuster, dessen Stand sich zwei Schritte entfernt befand, antwortete:
    Â»Vier Menschen, die in Faubourg Saint-Germain einen Brunnen gegraben haben, sind dabei erstickt. So verseucht war der Boden.«
    Â»Das ist eine Schande! Es muss etwas geschehen.«
    Ein Stück weiter, als Mathilde Fildor an einen Grenzstein vor einem Gasthaus in der Rue du Fossé-Saint-Bernard festmachte, wo sie übernachten wollte, hörte sie weitere Rufe und Klagen.
    Ein Gastwirt in Hemdsärmeln, dessen Schürze bis auf den Boden reichte, stemmte die Hände in die Hüften und rief:
    Â»Donnerwetter noch mal! Das geht nicht so weiter. Es muss etwas passieren. Das Holz, der Wein und das Öl können die Brücken nicht mehr passieren. Sie sind auf der Yonne, der Oise oder der Marne stecken geblieben. Sollen wir denn mit offenem Maul krepieren?«
    Â»Ah, das ist die Frage!«, meldete sich ein Mann neben ihm.
    Â»Das Parlament muss unseren Interessen dienen. Wir müssen das fordern.«
    Â»Dienen!! Die kratzen sich am Hintern«, entgegnete ein Klatschweib, das den Wirt zur Seite schob, um sich in die Mitte der kleinen Gruppe zu drängen.
    Â»Es muss erst alles zusammenbrechen, und ich wette, das dauert nicht mehr lange. Man darf uns doch nicht wie Tiere behandeln!«
    Der Mann, der das gerufen hatte, war kaum größer als ein Zwerg. Mit ebenso finsterer Miene wie seine Genossen schwang er die Faust.
    Â»Der König schert sich nicht um die Hauptstadt. Es gibt kein Öl, kein Brot und kein Holz mehr, aber die Schlösser werden restauriert. Davon haben wir aber nichts!«
    Â»Im Louvre hält sich der König nicht mehr gern auf! Um sich dort wohlzufühlen, müsste er verdammt viel Geld in die Hand

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