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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Veranlagung ihrer Mutter geerbt hatte, prägte Mathilde ihre Vorliebe für Pferde und Reisen wie auch für menschliche Begegnungen, und sie hatte Freude an Fremdsprachen.
    Als Marguerite und Alix zusammen Italienisch und Spanisch gelernt hatten, verblüffte Alix Marguerite jedes Mal mit ihren Fortschritten, wenn sie auf ihren Reisen die Comtesse d’Angoulême besucht hatte.
    Mit Hilfe ihres andalusischen Kutschers und ihres florentinischen Liebhabers hatte Alix Fremdsprachen gelernt. Stets dachte Marguerite an die Worte ihrer Mutter: »Alix’ große Stärke ist, dass sie alles für sich zu nutzen weiß.«
    Ja! Mathildes Besuch würde ihre trüben Gedanken vertreiben. Zusammen würden sie diskutieren, im Morgengrauen aufstehen, lange Ausritte im Wald unternehmen und sogar nach Mauves zurückkehren, wo Marguerite sie im Alter von drei Jahren in einer brennenden Hütte gefunden hatte. Der Duc d’Alençon hatte sie gerettet, versorgt und nach Blois gebracht. Anschließend hatte das Schicksal – es klang wie ein Märchen, entsprach jedoch der Wahrheit – den Rest getan. Mathilde war die Zwillingsschwester von Valentine, der Tochter von Alix, die man ihr in Bologna geraubt hatte, während die Kanonen Ludwigs XII . donnerten und das Blut derer floss, die von ihnen dahingerafft wurden.
    Sie träumte eine Weile, nahm dann erneut den Brief von François zur Hand und verspürte plötzlich Lust, ihn noch einmal zu lesen.
    Meine geliebte Schwester,
    wir haben die Alpen überquert und marschieren auf Mailand zu. Der rechte Flügel wird von Charles de Bourbon angeführt, der linke von deinem Mann. Die Artillerie von Galiot erweist sich als sehr stark, und vielleicht werden wir durch dieses Gefecht Marignan einnehmen, wo sich bald die starken Reihen der Hellebardiere in Bewegung setzen. Der Mut meiner Armee ist untadelig, obwohl uns Lethargie und Staus zu schaffen machen. Die Veteranen kennen das alles aus Novare, wohingegen ich und meine Jugendfreunde große Augen unter unseren glänzenden Helmen machen.
    Die Lanze in der Hand, der Degen an der Seite, sitzen wir die ganze Nacht im Sattel und warten inmitten der Kanonen auf das Morgengrauen. Wenn die Hörner des gegnerischen Lagers ertönen, ist das für uns das Zeichen zum Angriff. Die Schweizer zeigen sich im Kanonenfeuer mutig und unerschrocken.
    Ich habe keine Zeit mehr, an Dichtung und Musik zu denken, aber wir werden wieder tanzen und Feste feiern, auf denen du in deiner ganzen Pracht erstrahlst.
    Marguerite unterbrach ihre Lektüre. Bitterkeit schnürte ihr die Kehle zu. Eine süße Bitterkeit, die sie träge zwischen Vergangenheit und Zukunft schweben ließ. Alles Angenehme und Süße kam von François. Wieso schrieb Charles, ihr Mann, ihr nicht: auf denen du in deiner ganzen Pracht erstrahlst !
    Konnte Marguerite mehr vom Leben erwarten als ihren Bruder wiederzusehen und erneut am Hof zu glänzen? Charles d’Alençon war in den Kampf aufgebrochen und hatte nicht einmal den Keim für ein Kind in ihr gesät, das sie vielleicht vereinen würde.
    Eifersüchtig ob ihres Erfolgs am Hofe hatte er sie zurück nach Alençon beordert, wo sie die unterwürfige Ehefrau zu sein hatte. Gewiss, am Hof hatte sie eine einmalige Position inne, die ihr niemand streitig machen konnte. Die Schwester des Königs, die so großen Einfluss auf ihn ausübte, war nicht so leicht zu ersetzen. Später, als Charles begriff, dass sie aufbegehren und sich mit der Begründung weigern könnte, dass der König nach ihr verlange, hatte Charles Marguerite für ihr Verständnis gedankt. Musste sie sich denn von François entfernen, um ihrem Ehemann näherzukommen?
    Ach! Was dachte sie über ihren Mann nach, wenn doch der König, ihr Bruder, ihr geschrieben hatte: Wir werden wieder zusammen reimen . Ach! François, ich reime allein, und wenn ich diese Freude außer mit dir noch mit jemandem teile, dann mit meinem Freund Clément Marot. Ich weiß, dass er mich liebt, und empfinde große Zärtlichkeit für ihn.
    Ja, François, Clément bringt mir bei, anders zu dichten, als wir es gewohnt sind. Ich werde dir zeigen, wie man die Worte mit Zauber erfüllt.
    Seit dem Morgengrauen seufzte Marguerite ohne Unterlass. In ihrem Kopf kreiste stets dieselbe Frage: Warum war Charles nicht in der Lage, sie mit Worten in andere Sphären zu tragen, neuen

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