Die goldene Königin
wollt, um Briçonnet zu treffen.«
»Das ist richtig, Mutter.«
Noch eine List der alten Frau! Den jungen Clément Marot kritisierte die alte Schachtel, weil sie meinte, er übe zu viel Einfluss auf Marguerite aus. Zu Briçonnet trieb sie Marguerite geradezu hin, weil sie glaubte, dass Letzterer sie mit seinen frommen Reden vielleicht von dem flüchtigen Leben am französischen Hof abbrachte.
Die Duchesse hatte den Vater von Briçonnet gut gekannt. Der Bischof von Argentan, Sohn eines reichen Finanziers, war beim Tod seiner Frau mit der groÃen Hoffnung in den Orden eingetreten, den Purpurmantel des Kardinals zu erhalten. Sie war sicher, dass der Sohn Briçonnet eines Tages ebenfalls Bischof werden würde. Er hatte das Zeug dazu.
»Dieser Briçonnet ist ein hervorragender Umgang für Euch«, sagte sie, während sie versuchte, sich zu erheben.
Sie sackte jedoch sogleich wieder zurück. Marguerite stützte sie einen Moment. Der groÃe knochige Körper beugte sich nach vorn, dann versanken die Schultern der alten Duchesse erneut in dem weichen Kopfkissen.
»Ruft Dame de Breuil. Vielleicht könnt Ihr mich zu zweit in die Kapelle bringen.«
»Ihr wisst sehr wohl, Mutter«, entgegnete Marguerite leicht gereizt, »dass wir nicht stark genug sind, um Euch zu stützen, und wir die Hilfe von zwei oder drei Dienern benötigen.«
»Nun gut, meine Tochter«, entgegnete die alte Frau etwas bissig, »dann holt sie. Lasst mich in der Kapelle sitzen.«
»Gedenkt Ihr lange dort zu bleiben, Mutter?«
»Es ist lange her, dass ich meinen religiösen Pflichten vor dem heiligen Altar nachgekommen bin. Meine nachlassenden Kräfte haben mich daran gehindert. Es wird Zeit, dass ich in Gesellschaft des Herrn meine Gedanken ordne.«
Darauf erwiderte Marguerite nichts, doch als sie gerade gehen wollte, um Dame de Breuil zu holen, rief die Duchesse:
»AnschlieÃend könnt Ihr nach Argentan abreisen, meine Tochter. Zusammen mit Eurer Gesellschaftsdame.«
Diesmal reagierte Marguerite schroff:
»Mutter, ich habe nicht auf die Gegenwart von Dame de Châtillon, meiner eigenen Gesellschaftsdame, verzichtet, um die Gesellschaft von Dame de Breuil in Anspruch zu nehmen, die Ihr mir seit meiner Ankunft aufdrängt. Ich nutze ihre Gesellschaft nur, um an ihrer Seite in der Kapelle zu beten.«
Darauf wusste die alte Duchesse nichts zu erwidern. Sie seufzte. Die Antwort von Marguerite war höflich, beinahe respektvoll, aber bestimmt und verbat sich eine Entgegnung. Aber die Duchesse bedauerte doch, dass sie so nun nicht erfahren würde, was Briçonnet und ihre Schwiegertochter miteinander sprachen.
Die Duchesse besaà zwar noch gute Augen und Ohren, doch sie war nicht mehr gut zu FuÃ. Das war ihre groÃe Schwäche. Sie schleppte sich mehr, als dass sie ging, und allein konnte Marguerite sie nicht an den gewünschten Ort bringen.
Um keine weitere Zeit zu verlieren, rief Marguerite gleich die Lakaien und beauftragte sie, Dame de Breuil zu holen. AnschlieÃend lief sie eilig in den Schlosshof und lenkte ihre Schritte zu den Ställen, um Attalante auszuspannen.
Schon mehrfach hatte sie Briçonnet in Argentan getroffen. Sie genoss seine Gesellschaft, die Gespräche mit ihm und seine Ansichten. Sie betete nicht mit ihm. Nein! Sie machten sich Gedanken über die Kirche und ihre Grundsätze, und sie konnte es kaum erwarten, darüber mit François zu sprechen. Marguerites Jugendlichkeit brachte Gegensätzliches in ihr hervor. Mit Clément Marot sprach sie nur über Poesie, Ritterlichkeit, feines Benehmen und groÃe Gefühle, die an Freiheitsgedanken grenzten. Mit Briçonnet wurde sie wieder fromm. Die gegensätzlichen Persönlichkeiten der beiden Männer beeinflussten sie gleichermaÃen.
Das letzte Mal hatte Briçonnet ihr von einer möglichen Reform erzählt. Einer einschneidenden leidenschaftlichen Glaubensreform. Von neuen Grundlagen, die nicht nur den Glauben des Volkes, sondern auch den der Diözesen stärken würden. Denn mussten nicht zunächst die Prälaten die neuen Formen vermitteln können, bevor ein guter Gläubiger zu den Grundsätzen der Kirche zurückfinden konnte? »Die Erneuerung der französischen Kirche. Das ist es, was unser Land braucht, Marguerite«, hatte Briçonnet voller Ãberzeugung verkündet.
Natürlich hatte ihm die junge Frau
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